25 Dezember 2010

Kunst! Es handelt sich um Kunst!

Ich lese laut vor:
"Zwölf männliche, kastrierte Rentiere, Rentierurin, Fliegenpilze (gefroren und getrocknet), acht Gefrierkuben, zwei Kühlschränke, Schnee, zwei nicht geschlechtsbestimmte Stubenfliegen, acht Monitore, zwei Kameras, Gerüsttribüne, Einzäunung aus lackiertem Stahl, Futtertröge aus Edelstahl, Rentierfutter, Tränken, Wasser, Urinfänger, Halfter aus Naturleder, diverse Laborutensilien, Verbundglas, Spiegelflie, Bodenabdeckung aus Baufolie, Tanzteppich, Holzspaneinstreu; Kanarienwaage Harzer Roller, Kanarienwaage Timbrado Espanol, Mäuseplatz, Aufzugbett, Doppelpilzuhr".


Das liest sich wie die Karikatur einer Ausstellung, so als ob sich der große Martenstein oder gar Kurt Tucholsky persönlich in ironischer Übertreibung und mit nachsichtigem Lächeln zur Kunst der Gegenwart geäußert hätten. Interessanter Weise ist es aber die real existierende Beschreibung zu einer real existierenden Ausstellung, die gerade im Hamburger Bahnhof läuft.

Zusammengefasst: Es handelt sich um irgendetwas mit Rentieren, Fliegenpilzen und Rentierurin. Dazwischen flattern Kanarienvögel in riesigen Käfigen, schwarze Mäuse irren durch weiße Labyrinthe und es stehen ein paar überlebensgroße Fliegenpilz-Schnittmodelle sowie Kühlschränke mit Glastür in der Gegend herum. Die ganze Sache ist total abwegig und in ihrer Abseitigkeit faszinierend. Fast schon schön. Aber dabei eben ziemlich abseitig, was bedeuten soll: Ohne nachvollziehbare oder überhaupt irgendwelche innere Logik. Das kommt in der Kunst öfter vor.

Das Handlungsgerüst lautet zusammengefasst etwa "Steinzeit-Inder trinken fliegenpilzhaltigen Rentier-Urin und haben Halluzinationen. Deutscher Künstler halluziniert mit."

Wenn man sich darauf einlässt, dass Kunst nicht zwingend immer nur ein in Essig und Öl gemaltes Tafelbild sein muss, sondern auch einfach durch Objekte Assoziationen in Gang setzt, ist man schon weit über "Dit kann ick ooch, so malt meine Tochter!" hinaus. Aber die Soma-Ausstellung ist ein ganz anderes Kaliber: Die Kunst bestand schon darin, für diese Drogenphantasie den Leuten mit dem Geld genug Geld abzuschwatzen, um die ganze Halle vom Hamburger Bahnhof zu bespielen.

Inhaltlich ist dabei leider irgendetwas auf der Strecke geblieben. Jedenfalls erscheint die Zusammenstellung von Rentieren, Kanarienvögeln, Labyrinthmäusen und dem ganzen Zeug äußerst beliebig. Aber mit den Stichwörtern Halluzination, Assoziation und Kunst lässt sich so ziemlich alles erklären.

Wie dem auch sei: Rentiere sind hübsche Tiere und nett anzuschauen. So lange sie im Hamburger Bahnhof stehen werden sie nicht zu Rentierschinken verarbeitet. Man kann in der Ausstellung auf der Empore übernachten - warum auch immer. Reizvolle Vorstellung: Eine Nacht im Museum, auf einer Empore, zwischen lauter Rentieren. Die Sache kostet 1000€ pro Nacht und ist zum Glück schon bis zum Ausstellungsende ausgebucht, sonst müsste Der Große Bloguator™ dringend darüber nachdenken.



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