01 Oktober 2012

Bauantrag

Der Große Bloguator™ und die Kollegin sind beide seit über zwanzig Jahren im Geschäft. Kürzlich ergab es sich zum ersten Mal in diesem nicht unerheblichen Zeitraum, dass ein Bauantrag als "nicht bearbeitbar" von der Behörde zurückkam.

So etwas bedeutet Verzug. Verzug kostet im Bauwesen eigentlich immer Geld und der Arschitekt bekommmt in diesem Fall graue Haare.

Als Gerücht schwebt die Möglichkeit der Zurückweisung immer über dem Arschitekten. Aber in zwanzig Jahren Praxis ist uns das eben noch nie begegnet. Normalerweise läuft die Sache so, dass ein Bauantrag bei der Behörde eingereicht wird, mit der Eingangsbestätigung erhält man eine Erinnerung, dass noch das eine oder andere fehlt und das reicht man halt nach.

Es ist ohnehin fast unmöglich, auf den ersten Versuch einen vollständigen Antrag einzureichen, irgendetwas fehlt immer - Bescheinigung vom Vermesser, Bescheinigung vom Brandschutz, Bescheinigung vom Schornsteinfeger, Bescheinigung zum Energieverbrauch oder ein simpler Statistikbogen, den man in all dem anderen Wust vergessen hat.

Wenn man all diese Unterlagen endlich vollständig beigebracht hat, bleiben aber aus Sicht der Behörde immer noch jede Menge offene Fragen. Deshalb enthält eine normale Baugenehmigung eine Liste von durchschnittlich zehn bis zwanzig Punkten mit Auflagen und Einschränkungen.

Man merkte dem zurückgewiesenen Antrag allerdings an, wie sehr sich die Behörde Mühe gegeben haben muss, Fehler zu finden. Er war unter den beschriebenen Umständen an sich ziemlich vollständig. Aber irgendjemand im Amt wollte, dass zurückgewiesen wird. War gar nicht so einfach. Dafür musste der Sachbarbeiter buchstäblich nach Kommafehlern und anderen wichtigen Versäumnissen suchen.

Es gab im behördlichen Schreiben zur Zurückweisung sogar eine oder zwei gänzlich unrichtige Behauptungen sowie die mutwillige Fehlinterpretation eines behördeneigenen Formulars.

Wenn es zu einer Verzögerung kommt, will der Bauherr allerdings solche Entschuldigungen nicht hören. Sondern richtet in der Regel gleich die ultimative Frage an den Arschitekten, wer ihm den Ausfall bezahlt. Dieser ist daher bestrebt, unklare Verhältnisse erst gar nicht aufkommen zu lassen. Liegt nahe: In erstaunlich kurzer Zeit war unser Antrag wieder eingereicht.

Dann im Büro in den ersten Wochen zynische Kommentare, ob er wohl noch einmal zurückgewiesen wird. Aber es kam nichts außer einer ordentlichen Eingangs­bestätigung. Dann wieder eine Weile Ruhe. Der Verdacht, dass jetzt sogar der Staatsanwalt auf die Arschitekten gehetzt wird, wegen groben Unfugs oder so. Aber keine Post vom Staatsanwalt. Also vielleicht nicht.

Am letzten Tag der zulässigen Bearbeitungsfrist kommt dann tatsächlich eine Baugenehmigung. Diese liest der Arschitekt immer - IMMER! - mit einer Mischung aus Erleichterung und Argwohn: Einerseits ein Erfolg. Der Teufel wohnt im Kleingedruckten, nämlich in den Auflagen, üblicherweise zehn bis zwanzig Punkte, von denen einige sehr teuer oder sehr lästig werden können. Oder beides.

Diese Baugenehmigung enthielt aber nur einen einzigen Punkt: Der Baum im Garten und der davor sind während der Bauarbeiten zu schützen.


2 Kommentare:

Aintschie hat gesagt…

Ich finde die " mutwillige Fehlinterpretation eines behördeneigenen Formulars." durch den Protagonisten gar nicht so abwegig ;-)

100 Goldfischli hat gesagt…

Der Protagonist darf das. Muss sogar: Zwingende zivile Gegenwehr gegen bürokratischen Irrsinn!

Aber in diesem Fall hat ja die Behörde ihr eigenes Formular mutwillig fehlinterpretiert... tja.

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