10 Dezember 2013

Berliner Bustour 2013

Die Fahrer der Linienbusse gelten auswärts immer noch als eins der typischsten Beispiele für den Berliner: Muffelig, unfreundlich, aber mit einem schnellen gnadenlosen Mundwerk gesegnet.

Das ist lange vorbei.

Abgesehen von einigen Buslinien, die der BVG offenbar als Straflager dienen, sind die Busfahrer heutzutage freundliche und sehr hilfsbereite Menschen, die sogar noch weitere charakterliche Vorzüge bergen, die anderen Menschen sehr gut zu Gesicht ständen. Geduld zum Beispiel:

Letzten Freitag, gegen Feierabend, Dreckwetter draußen. Ein vollbesetzter Doppeldecker kommt an die Haltestelle. Ein Trio von älteren und offensichtlich wohlhabenden Touristen will beim Fahrer irgendeine dieser Mehrtageskarten mit komplizierten Nutzungsbedingungen erwerben. Theoretisch ist das möglich, die vollelektronische Kasse kann so eine Fahrkarte drucken und der Busfahrer weiß auch von der Existenz eines solchen Angebots, er kann also die Bestellung eintippen.

In der Praxis aber kauft *niemand* solche Fahrkarten bei einem Busfahrer. Das liegt am Wechselgeld und an der Dauer der Bestellung: Es kann sich niemand den exakten Namen der Karte merken und daher auch nicht ohne weiteres seine Bestellung aufgeben. Der Preis dafür liegt im zweistelligen Bereich, aber der Busfahrer hat normalerweise nur Münzen als Wechselgeld. Heißt: Wenn man nun mit einem Schein bezahlt, bekommt man einen großen Haufen Münzen zurück. Und es dauert sehr lange - jedenfalls deutlich länger, als die etwa hundert anderen Fahrgäste in dem vollbesetzten Bus an einer Haltestelle warten möchten.

Das ältere Touristentrio tut es trotzdem. Nachdem es sich vom Fahrer des voll besetzten Busses umständlich hat beraten lassen kann es sich nach mehreren überschlägigen Berechnungen zu einer schweren Entscheidung durchringen. Die anderen Fahrgäste warten.

Nach der Entscheidung ist das Trio überrascht, dass es die Fahrkarte nun bezahlen soll, in bar. Der Mann zückt sein Portemonnaie. Darin ist nicht genug Geld für den niedrigen zweistelligen Betrag. Dann fragt er zunächst die eine Frau, ob sie einen Schein dabei hat. Sie könnte einen weiteren kleinen Schein dazugeben. Das gefällt ihm nicht. Also fragt er die andere Frau. Sie hat einen größeren Schein und der Mann möchte ihr seinen Schein sofort zurückgeben. Ein Streit entspinnt sich. Der Bus wartet.

Dann findet die Frau einen größeren Schein und will ihn dem Busfahrer aufdrängen. So große Scheine kann er nicht wechseln. Es sei denn, sie würde sich mit etwa einem Kilo Zwei-Euro-Stücke als Rückgeld zufriedengeben. Das will sie nicht. Ein weiterer Streit zwischen dem Trio entspinnt sich. Irgendwann haben sie sich geeinigt, wie und von wem das Ticket nun beglichen werden soll und wer welchen Anteil vom Rückgeld in welcher Stückelung bekommt. Es kann weitergehen. Der Busfahrer quittiert die Aktion dieser völlig lebensunfähigen Touristen nur mit "Wir könnten auch schon eine Station weiter sein..."

DAS ist GEDULD!

So etwas hätte es früher bei der BVG nicht gegeben. Eine Pöbelattacke mit Mutmaßungen über Herkunft und Bildungsstand der Fahrgäste wäre unausweichlich gewesen¹. Oder ein Wutausbruch des Fahrers. Er hätte den Motor ausgemacht und sämtliche Fahrgäste des Busses verwiesen, nur damit sie sehen, was sie davon haben. Anschließend hätte er mit dem leeren Bus seine Tour fortgesetzt, ohne an irgendeiner Haltestelle zu halten.

Heute ist das anders. Aber vermutlich weiß das BVG-Management nur nicht von seinen freundlichen, hilfsbereiten und geduldigen Busfahrern. Sonst hätten sie das längst abgeschafft. Und dann sind da ja noch diese neu zugezogenen Luxusberliner, die sich beschweren, wenn der Fahrer mal ihr Ticket nicht sehen will *obwohl sie bezahlen könnten!²*. Mannmannmann...

 

 

 


¹ bei einem solchen Vergleich wird dem Betreffenden erläutert, wie weit Akademiker im Punkt Lebenstauglichkeit unterhalb des Handwerkers rangieren

² immerhin eine neue originelle Form der überheblichen Schnöselei der Besserverdiener gegenüber den Hartzern. Wo arschkrampiger Kleinstadtmief auf eingesessenes Neukölln trifft: "Ha! Ich kann mein Ticket bezahlen und DU nicht!" Zahnarzttöchter at their best.

³ genau, und eigentlicher Anlass für diesen erschütternden Tatsachenbericht: Der Große Bloguator™ stand hinter dem Trio draußen, im strömenden Regen, und wollte in den Bus

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