Einführung für den Laien: Beim Segeln ist der gerade Weg in der Regel nicht der schnellste, je weiter man vom direkten Weg abweicht, desto schneller wird das Boot sogar. Aber dann fährt man halt nicht mehr den kürzesten Weg.
Wo wir schon einmal beim Segeln sind, hier noch eine verbreitete Erscheinung. Man trifft sie auch im übrigen Leben an – nur das Beispiel aus dem Segeln zeigt die Situation besonders anschaulich:
Auf der Abbildung sieht man oben vier Boote, die einen Umweg gemacht haben und unten ein Boot, das einfach geradeaus gefahren ist und jetzt vorne liegt. Am Anfang dieser Sequenz waren sie vorletzte.
Es handelt sich um eine typische Situation, wenn man unter Spannung steht, aber auch den eigenen Fähigkeiten zu sehr vertraut. Man verstrickt sich in den eigenen taktischen Überlegungen.
Die Überlegung geht etwa so: Wenn man sich absetzen will, muss man irgendetwas anders machen als die Konkurrenz. Logisch. Außerdem hält man sich selbst für den überlegenen Auskenner. Was die anderen versuchen, erscheint trivial: “Das sieht so einfach aus – das kann nur falsch sein!”
Ist es nicht.
Hier haben vier Boote versucht, einen Umweg zu fahren, aber dabei schneller zu sein. Sie haben wohl auf diesem Kurs mehr oder Wind aus einer günstigeren Richtung erwartet. Das orange Boot unten drohte den Anschluss zu verlieren und lag vorher am Ende des Feldes. Auch sie hätten auf die Idee kommen können, etwas *besonders-besonders* kluges zu machen, um nicht noch mehr abgehängt zu werden. Stattdessen haben sie das naheliegendste getan und sind geradeaus gefahren.
Letztlich ist der Vorteil auf dem nördlichen Kurs nicht eingetreten und man sieht, dass die Gruppe der anderen wieder zurück kommt auf den alten Kurs.
So ist das ja immer wieder einmal.
Im richtigen Leben versucht man oft, sich mit taktischen Überlegungen einen Vorteil zu verschaffen. Die taktische Überlegung besteht dabei aus der Kombination mehrerer Maßnahmen, von denen schon bei jeder einzelnen der Erfolg fragwürdig ist. Die Kombination führt dazu, dass ein großer Erfolg eintreten kann, aber die Berechnung unbeherrschbar kompliziert wird.
Unbeherrschbare Komplexität wiederum geht in der Regel schief und führt nur in seltenen Ausnahmefällen zum Erfolg. Hinterher ist man schlauer. Dann tröstet man sich damit, dass man es mit allen Mitteln versucht hat – aber muss die Schuld immer bei sich selbst suchen.
Hat man das naheliegendste getan und dieses nicht zum Erfolg geführt, kann man gut “Die Verhältnisse”, Mutter Natur oder ein missgünstiges Schicksal dafür verantwortlich machen. Dabei führt das naheliegendste jedoch signifikant häufiger tatsächlich zum Erfolg, oder mindestens an einem gründlichen Misserfolg vorbei. Und wenn nicht hat man immerhin ein gutes Gewissen.
Die Szene stammt vom Volvo-Ocean-Race 2014/15, bei dem in 9 langen Etappen um die ganze Welt gesegelt wird.
Wer's nicht glaubt, hier noch der Spielstand ca. 8 Std. vorher:
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