Wie die meisten Menschen glaubt auch der Segler an Wundermittel. Das wird hier besonders erwähnt, weil Segelei eine höchst naturwissenschaftliche Angelegenheit ist. Das einzig unverständliche ist der Wind. Man weiß zwar genau, woher er kommt, wohin er unter bestimmten Umständen weht und wie das Boot in jedem Einzelfall zu behandeln ist. Es gibt für beinahe alles Rechenwerte. Aber in der Praxis kommt es meist ganz anders.
Inzwischen werden Boote in identischen Formen hergestellt oder wenigstens auf der Grundlage einer Computerform. Die Segel werden auf der Grundlage einer Computerzeichnung mit winzigen Fertigungstoleranzen hergestellt. Ebenso Masten und Zubehör. Das Material ist also durchaus vergleichbar (wenn man in einer Klasse segelt, wo Vergleichbarkeit gewünscht wird, das sind längst nicht alle). Dennoch gibt es in Rennen immer wieder große Unterschiede und der Segler fragt sich, woher diese wohl stammen.
Früher dachte man, dass es an der Einstellung des Bootes läge. Damit begann der Siegeszug der Trimmtabelle: Wenn man gleiche Boote unterschiedlich einstellt, sollten sie unterschiedlich schnell sein. Wenn man sie alle "richtig" einstellt, sollten sie alle optimal schnell sein.
Es wurden "optimale" Einstellungen für alle unterschiedlichen Bedingungen ermittelt und diese werden heutzutage in Form einer Trimmtabelle weitergegeben. Wenn man sie genau befolgt hat, bemerken einige überrascht: Es funktioniert dennoch nicht. "Dabei haben wir doch alles richtig gemacht!"
An dieser Stelle kommt der menschliche Faktor ins Spiel. Wenn man gleiches Material optimal einstellt, aber unterschiedlich behandelt, ergeben sich unterschiedliche Geschwindigkeiten, der Gedanke ist naheliegend. Derzeit ist der Segler auf der Suche nach dem menschlichen Faktor und hier kommen Tracking-Systeme ins Spiel.
Tracking bedeutet, dass man die Position des Bootes im Sekundenabstand feststellt und kartiert. Besonders hohen Erkenntniswert hat es, wenn auch alle anderen Boote getrackt werden und außerdem der Wind in Stärke und Richtung bekannt ist.
Nun kann man vergleichen, welches Boot den kürzesten Weg genommen hat, welches am schnellsten war und sehen, was besser ist.
Theoretisch.
Praktisch nicht.
Rein praktisch sollte der Quotient aus gesegelter Strecke und durchschnittlicher Geschwindigkeit eine Zeit ergeben, und wer am wenigsten Zeit gebraucht hat kommt als erster ins Ziel.
Ist aber nicht so.
Die entsprechenden Werte bekommt man inzwischen in Echtzeit auf den Bildschirm, auch wenn man selbst in Mitteleuropa sitzt und sich das Rennen auf der Südhalbkugel ereignet:
Die Tabelle links zeigt angeblich gesegelte die Strecke und Durchschnittsgeschwindigkeit nach dem Zieldurchgang.
Der Große Bloguator™ hat sich einmal die Mühe gemacht, den entsprechenden Quotienten auszurechnen und siehe: Direkt nach dem ersten Boot kommt das vierte ins Ziel. Dann das zweite und das dritte. Danach das sechste und dann schon das fünfte. Den siebten trifft es besonders arg, er kommt erst nach dem zwölften und dreizehnten ins Ziel.
Jedenfalls dann, wenn man solchen Wundermitteln wie dem Tracker kritiklos Glauben schenkt.
Zeichenerklärung:
dist ist die zurückgelegte Strecke laut Tracking, kts die vom Tracker angegebene durchschnittliche Geschwindigkeit in Knoten (das sind nautische Meilen je Stunde) und t ist die errechnete Zeit aus Entfernung und Geschwindigkeit, rank ist die Reihenfolge in der die Ziellinie überquert wurde. Die Tabelle ist jedoch nach errechneter Zeit sortiert.
rank
|
dist (m)
|
kts (nm/h)
|
t (min.)
|
1
|
11567
|
7,34
|
51,0546
|
4
|
11874
|
7,48
|
51,4287
|
2
|
12608
|
7,87
|
51,9017
|
3
|
11572
|
7,21
|
51,9976
|
6
|
11528
|
7,13
|
52,3811
|
5
|
11970
|
7,40
|
52,4050
|
9
|
11671
|
7,19
|
52,5883
|
13
|
12042
|
7,36
|
53,0067
|
12
|
11969
|
7,25
|
53,4848
|
7
|
11349
|
6,87
|
53,5194
|
11
|
11872
|
7,16
|
53,7182
|
14
|
11544
|
6,96
|
53,7350
|
8
|
11002
|
6,61
|
53,9238
|
10
|
11336
|
6,81
|
53,9291
|
18
|
11977
|
7,08
|
54,8056
|
19
|
10943
|
6,45
|
54,9651
|
15
|
11500
|
6,77
|
55,0325
|
20
|
11085
|
6,52
|
55,0806
|
16
|
11538
|
6,77
|
55,2144
|
21
|
11729
|
6,88
|
55,2310
|
17
|
11141
|
6,49
|
55,6147
|
24
|
10776
|
6,26
|
55,7691
|
22
|
10881
|
6,32
|
55,7779
|
23
|
11275
|
6,52
|
56,0247
|
25
|
11161
|
6,40
|
56,4980
|
26
|
11034
|
6,27
|
57,0132
|
27
|
11208
|
6,25
|
58,0976
|
In der realen Wirklichkeit war es aber auch bei diesem Rennen ohne Vergütung zwischen identischen Booten so, dass nach dem ersten der zweite ins Ziel kam, dann der dritte und dann erst der vierte.
Woran das liegt, darüber kann man nun grübeln, es ergibt sich nur die Erkenntnis, dass ein gesundes Maß an Zweifel durchaus angebracht ist.
Die Daten stammen vom führenden Anbieter solcher Daten, SAP Sailing Analytics, hier die 505-Weltmeisterschaft 2015.
sorry, bei den Minuten ist das hinter dem Komma eine Dezimalzahl und keine richtige Sekunde - DAS umzurechnen war mir wiederum zu aufwändig
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