19 Dezember 2006

Zigaretten, Sprühsahne & Flaschenbier

Liegt das an mir?

Ich weiß nicht, liegt das an mir? Liegt es daran, dass ich mit zunehmendem Alter immer kleinkarierter werde?

Oder liegt es daran, dass die Welt von einer Menge uneinsichtiger Idioten bevölkert ist, die mit jeder neuen Generation durch andere, frische und völlig unverbrauchte uneinsichtige Idioten ersetzt werden?

I.
Vorhin beim Mexikaner, ich hatte Hefeweizen vom Fass bestellt. Erwarte also ein trübes Getränk in einem charakteristischen Glas. Die Bedienung bringt mir ein Weizenbierglas mit einer fast klaren, rein gelben Flüssigkeit drin.

"Äh, sind sie sicher, dass das Hefeweizen ist?" noch ohne es gekostet zu haben. "Ja, sicher. Wollen sie erst mal probieren oder soll ich nochmal nachfragen?" Ich will erst probieren. Buärks! Das ist irgendwas seltsames, aber mit Sicherheit kein Hefeweizen. "Haben sie noch was anderes zu trinken?" "Ja, der Barmann sagt, das Fass wird alle. Wollen sie ein Hefeweizen aus der Flasche?" "Na gut."

Egal, ob das Fass jetzt alle wird oder nicht: Das da drin war jedenfalls zu keinem Zeitpunkt seiner Existenz als Flüssigkeit Hefeweizen. Aber warum müssen die mich beschwindeln?

II.
Kurz davor hatte ich ein Dessert bekommen. Das war so weit okay. Aber weil der Teller viel zu groß war hatten sie ihn mit Sprühsahne dekoriert.

S P R Ü H S A H N E !

Habe ich nach der Wende zehn Jahre lang über den deutschen Osten und seinen fatalen Hang zur Sprühsahne gelästert - nur um die jetzt tief im alten Berliner Westen vorgesetzt zu kriegen?

Sprühsahne ist widerlich, und daran ändert sich auch nichts, wenn sie "nur" als Dekoration gedacht ist. Wenn man das Zeug sowieso nicht essen soll, können sie auch Dekoration aus Wachs nehmen, dann wäre wenigstens alles klar. Schlimm genug, dass man heute nicht mal mehr beim Bäcker oder in der Eisdiele gute Schlagsahne aus dem Schlagsahnegerät bekommt. Aber ich schweife ab.

III.
Kaum hatte ich mein Hefeweizen aus der Flasche - Flaschenbier kann ich auch prima zu Hause trinken - setzt sich am Nachbartisch eine Gruppe von vier Rentnern. Drei von ihnen rauchen. Ich nicht. Meine Mutter, die mir gegenüber sitzt, hat auch bis eben geraucht. Die hält mir aber nicht ihre Zichte genau unter die Nase, wie die alte Schachtel vom Nachbartisch. Abstand zwischen ihrer Zigarette und meiner Nichtrauchernase: Knapp 50cm. Die Rauchfahne zieht exakt in mein Gesicht - besser könnte sie nicht zielen.

Ihr fällt auch nicht auf, dass die Aufgaben ungleich verteilt sind. Oder vielleicht doch: Insgeheim glaubt sie anscheinend, dass sie für mich mitrauchen muss, damit unser gemeinsames Soll erfüllt wird. Die Sucht-Schachtel ändert jedenfalls nichts: So lange wie die Zigarette dauert, hält sie sie mir unter die Nase.

Hass kocht in mir hoch. Von selbst merkt sie jedenfalls nichts. An sich fand ich bisher, dass eine Kneipe verräuchert sein MUSS, das nennt man "Atmosphäre". Aber in Fällen wie hier werde ich zum Verfechter eines umfassenden Rauchverbots - in Verbindung mit Prügelstrafe. So feinfühligen Leuten kommt man nur mit unzweifelhaft* festgemeißelten Verboten und schlimmen Strafen bei!

Das erinnert mich daran, was früher passierte, wenn man Raucher um Rücksicht bat: "Oh, das macht mir gar nichts, wenn du hier nicht rauchst!" Grade im Umgang mit Rauchern ist es früher häufig passiert, dass einem Höflichkeit als Schwäche ausgelegt wurde. Wahrscheinlich hatten die das Image von den harten Kerlen aus der Marlboro-Werbung voll verinnerlicht. Die weibliche Variante war: "Jaja, der Rauch zieht halt immer zu den Nichtrauchern, ha ha." Jaja, so ein Zufall.

An sich dachte ich immer, dass festgeschriebene Verbote einem das Leben einengen und man von einer unsichtbaren Aufsicht unnötig unterdrückt und gegängelt wird. Deshalb verfechte ich den Gedanken, dass man bei entsprechender Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme mit erheblich weniger Verboten auskommen würde. Das war'n Satz mit viel würde.

Bei rauchenden Arschlöchern wie dieser alten Schachtel sind solche Appelle natürlich wirkungslos. Von selbst merkt sie nichts, aber ich soll mich zum Deppen machen. Ich soll womöglich Einsicht zeigen, in ihre selbstverschuldeten Suchtnotwendigkeiten vielleicht, und trotz meiner Wut ein paar höfliche Worte finden: "Entschuldigung, ich bin Nichtraucher. Könnten sie ihre Zigarette vielleicht nach der anderen Seite halten? Ach, da sitzt ja jemand! Zufällig auch ein Raucher - na dann geht das natürlich nicht! Entschuldigen sie bitte meine dumme Frage!" Wahrscheinlich bin ich der erste Nichtraucher in ihrem Leben.

IV.
Und zurück zu der eingangs erhobenen Frage: Nein, es liegt selbstverständlich nicht an mir.

Dosensprühsahne war vor 20 Jahren im Westen schon scheiße. Da ist Kohlensäure drin und anderes Zeug, das in Schlagsahne nicht reingehört. Auch damals gab es schon Syphons mit Druckluft - aber die benutzten sie nicht, Faulheit siegt.

Meiner Mutter habe ich in jahrelanger Arbeit das Verhalten "Rücksichtnahme auf Nichtraucher" antrainiert, das geht also. Ihre Wohnung ist verraucht, aber ich halte mich gerne dort auf. Heißt: So empfindlich bin ich wohl nicht.

Und warum sie mich wegen dem Bier beschwindelt haben kann ich mir nicht erklären. Oder wollten die einfach nur probieren, ob's überhaupt jemand merkt?



* einpelzig-Gefängnisstrafe

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