22 März 2007

Chronik der Kürbiskriege

 

Blument'al Wundcatet'l und Kleine Windrispe

Als Blument'al Wundcatet'l den elterlichen Pueblo betrat, war sein Vater dummerweise noch auf. Er hatte wohl im Schein des Talglichts noch in den Tierknochen gelesen. Wie nicht anders zu erwarten atmete er tief ein. Das bedeutete: Predigt.

"Du hast Nerven! Weißt du wie spät es ist?"

"Ja, Papa."

"Der Mond hatte schon vor geraumer Zeit seinen Zenit!"

"Ja, Papa."

"Wenn DU morgen zur Arbeit müsstest, würdest du dich besser langsam an etwas Ordnung gewöhnen!"

"Aber Papa, ich habe mit Kleine Windrispe im Mondlicht oben auf der Klippe gesessen..."

"Mit wem?"

"Kleine Windrispe. Sie hat wunderbare Augen. Mandelaugen."

"Ach so. Na dann."


Dann schwiegen sie eine Runde.

"Kleine Windrispe, ja?"

Pause.

"Mandelaugen, ja? Na dann hast Du wenigstens Deine Zeit nicht verplempert."

Pause.

"Was macht denn ihr Vater so?"

"Er ist Indianer, wie Du."

"Was? Den ganzen Tag?"


Blument'als Vater liebte diesen Scherz.

"Nein, er legt Pausen ein, eine kurz nach dem Aufstehen und eine beim Zenit der Sonne. Und eine, wenn der Adler vorbeifliegt."

"Aber der Adler fliegt doch andauernd vorbei?"

"Naja."


An dieser Stelle wurde der Dialog vorübergehend ein wenig surreal, aber das kam bei Indianern häufiger vor. Es lag wohl an ihrer spirituellen Mentalität. Wir lassen diesen Teil weg.

"Und wo wohnen die Windrispes?"

"Ihre Eltern heißen Windrispe-Sumpfcantat'l."

"Von wem erbt man denn so einen bescheuerten Namen?"


Die Herkunft und Abstammung war wichtig unter Indianern, auch wenn man im Einklang mit der Natur lebte. Oder gerade weil. Einige stammten vom Allsehenden Großen Adler ab. Behaupteten sie.

"Sie sind verheiratet."

"Ach so."


Pause.

"Miteinander?"

Pause.

"Wooooohahahahaaa...!"

Das war der Humor von Blument'als Vater.

"Aber Papa!"

Er musste trotzdem grinsen.

"Sie wohnen im kleinen Pueblo, dem übernächsten, ganz am Ende der Schlucht."

"Was? Und da lässt du sie alleine hinlaufen? Bei Nacht? Also deshalb kommst du so früh nach Hause! Hast du das von mir?! Das hast du doch nicht von mir!? Das Mädchen allein durch die Nacht stolpern lassen... wirklich!"

"Aber ich wusste doch gar nicht, ob sie das will, dass ich sie begleite, und so..."

"Hör mal! Sie sitzt mit dir bei Vollmond oben auf der Klippe! Da wird sie es bestimmt nicht schlecht finden, wenn du sie nach Hause bringst! "

"Naja..."

"Zu meiner Zeit war das jedenfalls so. Ob sie auch „und so" will, musst Du allein herausfinden."


Pause.

"Bist Du überhaupt schon ordentlich aufgeklärt?"

"Ach, Papa..."

"Naja, ich meine, wie man keine Kinder macht? Weißt du das?"


Die meisten Indianerstämme hatten wirksame Methoden, wie man keine Kinder macht. Das war auch kein Geheimnis - ganz im Gegenteil.

"Ach Papa... können wir das nicht morgen besprechen, bei Tag?"

"Morgen muss ich zur Arbeit. "

"Was?"

"Da gehe ich jagen."

"Dann am Nachmittag, nach der Jagd..."

"Da muss ich die Tiere ausnehmen und abziehen."

"Dann nach Sonnenuntergang...?"

"Da muss ich sie kochen."

"Nie hast du Zeit! Nie! ... dann übermorgen?"

"Da habe ich eine Fortbildung."

"Den ganzen Tag!?!"

"Das ist in den Zelten vom kleinen Indianerrat, oben auf dem Plateau. Den ganzen Tag, ja. Da muss ich verdammt früh aufstehen."

"Na prima!"

"Weißt du, wie lange ich dafür brauche, ganz da rauf und wieder runter?"


Er wollte wohl bedauert werden.

"In meinem Alter?"

Ganz sicher wollte er das. Oder bewundert.

"Ach Papa. Aber in zwei Handvoll Tagen ist Mama wieder da, dann frage ich die."

"Mach doch!"

"Ja!"


Pause.

"Gehst du auch schlafen, Papa?"

"Ich lese noch ein wenig in den Tierknochen. Gute Nacht!"

"Gute Nacht!"

 

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