Bloggen über das Bloggen - IN2U
Ein sehr, sehr kleiner Sturm tobt derzeit durch das deutschsprachige Internet. Kurz zusammengefasst: Ein Parfumhersteller hat junge Leute als Zielgruppe entdeckt und seine Werbeagentur kam auf die clevere Idee, die Sache über Schleichwerbung in Blogs mit besonders hohen Besucherzahlen zu promoten.
Herr SvenK hat das hier zusammengefasst und auch schon kommentiert, außerdem berichtet SpiegelOnline darüber. Damit könnte die Sache erledigt sein. Aber wer das glaubt hat die kindlichen Gemüter zahlreicher deutscher Blogautoren unterschätzt:
Die einen tun jetzt fürchterlich empört, weil eine Werbeagentur in ihrem Blog ein paar Kommentarzeilen hinterlassen hat. Wäre die Abscheu gegen Werbung echt, könnten sie einfach die Werbekommentare kenntlich machen oder löschen - fertig. Stattdessen echauffieren sie sich öffentlichkeitswirksam. Naja, irgendwie wollen die ihre Blogs ja auch voll kriegen.
Die anderen sind beleidigt, weil sie nicht Teil der viralen Campagne geworden sind. Deshalb finden sie die unbezahlte Werbung auch ganz besonders ekelhaft. Gegen ein bisschen Honorar in bar sähe die Sache aber vielleicht schon wieder ganz anders aus.
An sich sind sie ja alle so eine große Familie in der kuscheligen Blogosphäre - aber kaum bekommen einige für ein paar Wochen ein Auto geliehen, werden die anderen von heftigen Neidattacken geschüttelt und vergessen diesen schlimmen Verrat auch Jahre später nicht.
Alle zusammen leiden sie unter massiver Selbstüberschätzung. Naja, "Leiden" tun sie wahrscheinlich gar nicht selbst, sondern nur einer, der versehentlich ihre Seiten liest.
Das Problem beim Blog ist ja nicht das ICH ICH ICH - das gehört doch definitionsmäßig irgendwie zum Inhalt eines Tagebuchs. Das grundsätzliche Problem ist, dass einige Leute sich selbst jetzt für furchtbar wichtig verkaufen, weil sie endlich ihr Tagebuch veröffentlichen können und jeder nachlesen kann wie bedeutend sie sind.
Früher musste man dafür bei einer Zeitung arbeiten oder irgendwie anders eine Qualifikation nachweisen. Egal ob Buch, ob Funk, ob Zeitung, es gab immer ein korrigierendes Element, das im Zweifelsfall, bei erwiesener Unfähigkeit, die Notbremse ziehen konnte - ich meine: Einen Redakteur, Verleger, Lektor, Vorgesetzten.
Heute kann man veröffentlichen wie man will, der einzige Filter ist das eigene Selbstbewusstsein. Tückische Falle: Kommt Lob, fühlt man sich bestätigt. Kommt Kritik, sagt sich der Blogger offensichtlich "Solche Idioten können meine phantastische Leistung sowieso nicht beurteilen!" Ganz ganz bestimmt nicht erkennt so jemand, dass Kritik zuweilen durch schlichten Talentmangel ausgelöst wird, nein nein.
Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Etliche halten Bloggen für den Zweck des Bloggens. Wenn einer kommt und diesen originellen Gedankengang stört, fühlen sie sich angegriffen.
Ein Teil der Blogger leidet unter grober Selbstüberschätzung. Realitätsverlust. Wahrscheinlich ist das angeboren und nicht erst durch die Bloggerei erworben. Trotzdem eine hässliche Sache.
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