Zur Zeit streikt ja der öffentliche Dienst. Hier in Berlin merkt man das an der BVG: Es fährt nichts öffentliches mehr. Wer jetzt kein Auto hat,
Wen die Gewerkschaft ver.di damit wirklich quälen will, ist mir schleierhaft - und der Gewerkschaft anscheinend auch nicht recht klar. Ich würde den öffentlich Bediensteten durchaus ein wenig mehr Geld gönnen - aber wenn sie sich solche Deppen als Vertreter suchen, kommen mir Zweifel und ich bereue meine fehlgeleitete Solidarität.
Im richtigen Leben funktioniert ein Streik ja so: Der bestreikte Betrieb gehört einem Unternehmer. Der Unternehmer verspricht seinem Kunden, irgendeine Ware zu liefern. Meist ist das Versprechen ohnehin schon mit einem Liefertermin verbunden. Wenn gestreikt wird, verschiebt sich der Liefertermin. Das Geld kommt später. Das tut ganz weh - das schöne Geld!
Oder der Kunde ärgert sich und stellt dem Unternehmer seinen Schaden in Rechnung. Oder er geht ab jetzt woanders hin. Der Unternehmer ist vielleicht sogar seriös und würde ganz ohne äußeren Druck seine Verträge gerne einhalten, einfach so, solche Leute soll's ja geben. Ein Streik behindert das und deshalb wirkt der Streik tatsächlich als Druckmittel gegen den Unternehmer: Streik heißt "kein Geld" und das wirkt.
Beim Streik bei der BVG verhalten sich die Grundlagen zufällig ein wenig anders: Es gibt nämlich keinen Unternehmer. Jedenfalls keinen verantwortungsbewussten. Der Leitung der BVG ist völlig egal, ob und wann ihre Kundschaft ans Ziel kommt. Sie hat ein paar Vorgaben, und so lange sie die auf dem Papier erfüllt, muss sie sich nicht verantworten. Die eigentliche Kundschaft hat nämlich außer "zu Fuß!" keine Druckmittel, und diese Drohung ist nicht besonders schmerzhaft.
Der Berliner Finanzsenator Sarrazin als Auftraggeber ist für sein sensationelles Mitgefühl berühmt. Seine Einstellung lautet etwa "Wer auf die BVG angewiesen ist, ist selbst schuld. Laufen ist gesund!" Ihm ist es durchaus recht, wenn der öffentliche Nahverkehr weniger kostet, mit etwas Glück kann man ihn sogar ganz einsparen. Das Konstrukt "Gemeinwesen" ist dem Finanzsenator fremd - er versteht es nicht und hört auch nicht zu, wenn es ihm jemand erklären will. Die BVG kennt er nur aus Berichten seiner Putzfrau, und von den Empfängen, zu denen er manchmal eingeladen wird.
Die BVG-Oberen würden nie auf die Idee kommen, die unter ihrer Führung angebotene Dienstleistung selbst in Anspruch zu nehmen. Sie werden mit der Firmenlimousine zur Arbeit gefahren, wie früher der Junker. Einzelheiten werden delegiert. Falls man ihnen grob vorsätzliches Fehlverhalten nicht nur vorwirft, sondern auch gerichtsfest beweisen kann, lassen sie sich mit einer großzügigen Abfindung in den Vorruhestand schicken. Ob Geld vom Kunden in der Kasse ankommt, muss sie nicht kümmern - ist ja Streik. Ob Kunden irgendwo ankommen - egal, den Ärger hat die Basis, der Busfahrer. Aber der ist ja im Streik. Auch kein Problem. Ob der Kunde sich wehrt, oder sich beschwert: Bei wem denn? Streiken ja alle, Callcenter, Kassenschalter, Zugabfertiger. Jeder der für den Streik verantwortlich gemacht werden könnte verkriecht sich - oder ist dank seiner Position ohnehin für den Kunden nicht zu sprechen.
Wen quält also ver.di? Bestimmt nicht den BVG-Vorstand, bestimmt nicht den öffentlichen Arbeitgeber. Die Kundschaft leider schon. Aber so weit muss man als dogmatischer Gewerkschafter vermutlich nicht denken - irgendwer muss eben Opfer bringen! Und am besten ist das jemand anderer, nicht der Gewerkschafter selbst.
Wahrscheinlich steigen etliche zweifelnde Fahrgäste sogar wieder dauerhaft aufs Auto um. Nur unverbesserliche Romantiker sehen darin einen Nachteil. Der engagierte Gewerkschafter denkt sich aber: "Wieso denn? Weniger Kundschaft macht weniger Arbeit - genau das ist doch unser Ziel!"
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