04 Januar 2011

Bosheit und Niedertracht (9)

die kleinliche Rache der Macht
 

Was bisher geschah:
Student Lennart steckt mitten in der Diskussion mit zwei dubiosen Typen, die ihm schon die Tür eingetreten und zuletzt Jugenderinnerungen geshreddert haben. Es scheint dabei irgendwie um illegale Musikdateien zu gehen. Gerade haben sie die wertvolle externe Festplatte an den Killer-Trafo angeschlossen.




"Ach, zu wenig Spannung, mit 150 Volt geht noch gar nichts."

Er regelte die Spannung langsam hoch. Ab einem bestimmten Wert sprang die Festplatte auch an.

"Ich sollte sie mit dem Computer verbinden, das bringt realistischere Ergebnisse!"

Jurii nickte. Lennart wollte sich wieder einmischen, auch wenn er die Sinnlosigkeit so langsam begriff: "Das geht nicht!"

"Klar geht das nicht. Das Teil ist aus einer anderen Galaxie und der teure Laptop eine Attrappe, mit der du nur in den Poser-Cafés die Groupies anlockst, was Lennart?"

"Ja."

Die Verachtung in der Stimme des Kerls fiel ihm erst nicht auf.

"Sowas wie eine moderne Duftfalle, was Lennart?"

"Ja. Schon möglich."

"Ich dachte mir schon, dass man sich das so wünscht, wenn man so ein schönes Gerät mit Obst aus USA anschafft."

Lennart hätte nie damit gerechnet, dass ihm sein hochwertiger Rechner, den er nur als Schreibmaschine und zum Internet-Surfen verwendete, jemals zum Vorwurf gemacht werden würde. Auf alle, die schlechter ausgestattet waren, hatte er immer mitleidig herabgesehen. Solche vom Neid zerfressene Kriminelle, wie sie jetzt bei ihm im Wohnzimmer saßen und ihn bedrängten, konnte er sich bis da hin nicht einmal vorstellen.

Der kleinere Kerl regelte den Trafo immer höher. Die externe Festplatte surrte in immer höheren Tönen und fing irgendwann an zu singen.

"Wer hätte gedacht, dass so ein kleines Gerät so viel aushält? Der Fernseher hat viel früher schlapp gemacht. Wir sind schon bei 310 Volt!"

Es gab nur ein leises "Puff!" und dann erstarb das Singen, etwas später kam auch das Summen zum Stillstand.

"Das ist enttäuschend!"

Lennart starrte hypnotisiert die Festplatte an.

"Oh, wir haben ganz vergessen, den Computer anzuschließen...!"

"Nein, nicht! Da ist meine Semesterarbeit drauf! Die ist noch nicht verschickt!"

"Na, die hast du doch bestimmt zwischengesichert, oder Lennart?"

"Natürlich!"

"Auf der externen Festplatte?"

"Ja."

"Schade."

Der Kerl schaltete den Comupter an und ließ ihn hochfahren. Den Trafo regelte er auf allgemeine Haushaltsspannung, 230 Volt. Er sah sich interessiert den Bildschirm an. Dann nahm er den Magneten und verbog damit zuerst den Bildschirm, genauer gesagt, das erzeugte Bild.

"Was passiert wohl, wenn ich die Festplatte im Lauf lösche?"

"Nichts! Das ist alles im Speicher!"

"Ach ja." 

Tatsächlich passierte anfangs nicht viel, als der Magnet auf dem Rechner lag. Als er an eine bestimmte Stelle kam wurde der Bildschirm erst psychedelisch farbig und dann schwarz. 

"Jetzt ist nichts mehr im Speicher."

"Nein, jetzt wohl nicht mehr."

Aber man hörte den Lüfter und ganz leise die Festplatte noch. Der Kerl regelte den Trafo hoch. Der Rechner ging aus.

Lennart triumphierte: "So einfach kriegt man so ein Gerät nun mal nicht kaputt!"

"So siehts aus. Wladimir, sieh doch mal im Bad nach, was du da so findest."

Jurii verschwand kurz und kam mit einer gelben Dose Kontakt-Spray wieder. 

"Das hast du im Bad gefunden?"

Jurii schüttelte den Kopf.

"In der Abstellkammer?"

Jurii nickte.

"Da steht: Keinesfalls an Kunststoffen verwenden."

Jurii nickte wieder.

"Na, das wollen wir doch genau wissen."

Er sprühte die ganze Dose in die Tastatur des Rechners und tippte wild auf den Tasten herum.

"Gut einarbeiten! Steht da bestimmt irgendwo. Ich habe mal gehört, dass der Kunststoff mit der Zeit ganz porös wird von diesem Zeug. Aber so ein Edel-Rechner ist bestimmt aus Super-Kunststoff und lässt sich von solchem Zeug nicht beeindrucken."

Dann zog er den Stecker kurz ab, schaltete den Laptop ein und steckte ihn an den mitgebrachten Trafo. Der Rechner fuhr hoch, oder jedenfalls drehte sich die Festplatte noch. Der kleinere Kerl regelte diesmal den Trafo schneller hoch. Nach kurzer Zeit stieg eine Rauchwolke auf und mit lautem Knacken verabschiedete sich das Bild und wohl auch das Innenleben.

Lennart glaubte, dass er immer noch Grund zum Trumphieren hätte: "So einfach kriegt man so ein gutes Stück nicht klein! Da dran beißt ihr euch die Zähne aus! Das ist alles mehrfach abgesichert, da ist bestenfalls ein Kondensator im Eimer. Oder eine billige Sicherung."

"Sicher, sicher. Nur auf der Festplatte ist nichts mehr drauf. Im Speicher ist auch nichts mehr. Selbst rudimentäre Elemente dürften jetzt wohl gelöscht sein."

"Pah. Das kann man alles wieder drauf spielen."

"Da hast du auch wieder recht."

Der kleinere Kerl nahm sein Messer, das er neben den Laptop gelegt hatte und rammte es mit voller Wucht durch den Bildschirm, so dass es auf der Rückseite vollständig wieder heraus sah.

"Tja. Schade."

"Sind sie wahnsinnig? Da war meine Semesterarbeit drauf!"

"War, mein guter. War. Aber jetzt machen wir was spannendes, nicht wahr, Boris?"

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