20 Mai 2016

Pfand gehört

“Pfand gehört daneben”

Welcher Vollidiot hat sich eigentlich diesen Slogan ausgedacht? Pfand gehört gar nicht “daneben”, sondern zurück in den Laden und von dort zum Abfüller.

Wer ist überhaupt vorher auf die Idee gekommen, leere Pfandflaschen gehörten vielleicht in den Mülleimer? Da fragt man sich, ob es am allgemeinen deutschen Bildungsnotstand der Gegenwart liegt? Schließlich wird hier das, was ein Günther Öttinger und Edmund Stoiber kauderwelschen, auch großzügig “Englisch” genannt. Und Pfand ist anscheinend ebenfalls ein Fremdwort.

Der Pfand-Slogan ist derzeit in Kreuzberg und Friedrichshain allgegenwärtig, wo zur Grundausstattung des zugezogenen Muttersöhnchens beim Flanieren auf jeden Fall die geöffnete Flasche Bier in der Hand gehört. Die Vollpfosten sind entweder zu bequem oder schlicht zu dämlich, die leeren Flaschen zurück zum Verkäufer zu tragen. Oder in jeden anderen Späti am Weg, der ebenfalls offen hat.

Stattdessen lassen sie die zum Restmüll gewordene Mehrwegverpackung am Wegrand stehen. Genau wie zu Hause bei Mutti kommt hier nämlich irgendwann jemand, der sie wegräumt. Die schöne Entschuldigung lautet: “So verdienen die armen Leute noch ein wenig Geld!” Immerhin, zu Hause bei Mutti konnte das verwöhnte Söhnchen das nicht behaupten.

Die reichen Söhnchen haben es auch nicht nötig, auf den Preis zu achten. Das Späti-Bier kostet selbst mit Pfand weniger als die Hälfte vom Wirtshaus oder Club-Ausschank. Also wirft man die leere Flasche halt weg, stört ja nur.

Wohin das führt, kann man sehr gut am Karneval der Kulturen sehen, der eigentlich perfekt organisiert ist. Dort sind zwar zahlreiche Flaschensammler aktiv, aber die schaffen auch nicht alles weg und wenn ihr Lager voll Leergut ist müssen sie aufhören.

Eine Flasche, die lange genug in der Menge herumliegt, geht zu Bruch. Beim Karneval fliegen deshalb sowieso immer schon Scherben herum. Im letzten Jahr, 2015, als es beim Umzug besonders heiß war, hinterließen tausende Pfandgehörtdaneben-Trottel tonnenweise zerbrochenes Glas. Etwa alle 50m gab es am Abend einen meterhohen Haufen, der jeweils aus mehreren Kubikmetern Glasscherben bestand.

Für die Scherben interessiert sich kein Flaschensammler und zum Teil müssen sie mühsam mit der Hand aus den Sträuchern und Grünanlagen gepflückt werden. Glücklicherweise können sich die Muttersöhnchen in der Metropole auf die Stadtreinigung verlassen, die fast genauso zuverlässig aufräumt wie Mutti zu Hause in der Provinz.

Hm? Nein nein, alles kein Gerücht. Kleine Anekdote aus eigenem Erleben: Ich war etwa zwölf und bei den Nachbarsjungs zu Besuch. Ein Bonbonpapierchen blieb übrig, ich frage also “Wo soll ichn das hintun? Wo isn der Papierkorb?” Und der älteste Nachbarsjunge “Ach, lass fallen, unsere Mutter räumt das dann weg.”

Damals verschlug es mir die Sprache - meine Mutter räumte auch viel weg, aber ich fand das nie selbstverständlich. Der Nachbarsjunge muss dann wohl die Pfandgehörtdaneben-Bewegung gegründet haben.

3 Kommentare:

Broken Spirits hat gesagt…

"Pfand gehört daneben" war ursprünglich gemeint als "Pfand gehört nicht IN den Mülleimer, sondern NEBEN den Mülleimer". So gesehen also durchaus sinnvoll, wenn man ne Pfandflasche mal nicht wegschmeißen kann/ nicht ewig rumschleppen mag. (Solche Situationen gibt es!)

Ich bin übrigens mitnichten ein verwöhntes Muttersöhnchen, sondern durchaus auch mal ein armer Musiker gewesen - und ich war froh drum, wenn ich nicht im Mülleimer wühlen mußte, um ein paar Cent zusammenzukratzen.

Mülleimer sind bei Geldknappheit durchaus und immer noch eine gute Anlaufstelle: schau Dir mal an, wo die Flaschensammler hauptsächlich suchen ;-)

Das was Du beschreibst (Scherbenhaufen im Gebüsch), ist allerdings daneben und nutzt wirklich keinem was - weder dem Flaschensammler noch dem, der die Flaschen IRGENDWO abstellt, um sein Gewissen aufgrund seiner Faulheit zu beruhigen.

Aber dafür kann ja diese Aktion nichts...

100 Goldfischli hat gesagt…

Ah, ich habe *gehofft*, irgendwem auf die Füße zu treten :-) - herzlich willkommen!

Ich selbst habe natürlich auch schonmal eine Flasche irgendwo am Straßenrand abgestellt (auf Drängen eine Kreuzberger Freundes "Die ist in zehn Minuten weg!"). Sonst hätte ich sie halt in den Rucksack gesteckt und am nächsten Tag bei meinem zuständigen Bierdealer abgegeben.

Es gibt ja ein funktionierendes Pfandsystem. Dieses könnte dafür sorgen, dass der Rohstoff sogar sortenrein an der richtigen Stelle landet. Mit Spätis funktioniert es auch nachts und am Wochenende. Es geht mir tatsächlich darum, dass anscheinend bestimmte Leute selbst dafür noch zu bequem sind. Und der Slogan "Pfand gehört daneben" ihnen eine moralische Rechtfertigung für asoziales Verhalten liefert.

Broken Spirits hat gesagt…

Ach was, ich hab keine blauen Flecken auf den Füßen und die Zehen sind auch noch dran :-)
Übrigens das zweite oder dritte "Willkommen" von Dir - merci :-)
Das erste kam glaube ich vor zwei Jahren...

Übrigens gab es bei der "Pfand gehört daneben" auch mal eine Bastelanleitung, wie man an einen Laternenpfahl einen selbstgebastelteten Flaschenbehälter anbringen kann. Mehr als ne Kiste und ein paar Kabelbinder hat es dazu nicht gebraucht.

Richtig gemacht ist diese Aktion ja schon sinnvoll...

Aber es gibt halt immer Idioten, die sowas auf ungünstigste Weise uminterpretieren - da stimme ich Dir ja zu :-/
Aber das hat man ja oft, daß sich Leute nicht mit den Hintergründen auseinandersetzen.

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