Musik & Tön (1)
neulich treffe ick meinen bekannten werner uffm markt. da treffen wir uns öfter mal, wenn unsere frauen uns mit die töchter zum einkoofen jeschickt haben. der werner is'n feiner kerl. der is professor an'ner uni. nett isser trotzdem. ick kenne den über unsere töchter - aber dit habe ick schon früher mal erzählt.
also: neulich treffe ick den werner und der fracht mich: "wat wohnt'n da seit neuestens für een hampelmann über euch?"
der werner und seine familie wohnt uff die andere straßenseite und eene etage höher. der könnte die janze zeit voll von oben in unsere wohnung kieken - wenn ihn dit interessieren würde. aber dit is ihm wohl egal, wat wir machen.
uns ooch.
wahrscheinlich is dit auf dauer ooch nich so aufregend, wenn wir nackich in unser wohnzimmer rumloofen, oder im unterhemd ums frühstück sitzen. feinripp.
nee, quatsch! ick trage tischörts.
aber, jenau so hat er doch nich jefracht, der werner is ja studiert, der spricht ja nach der schrift ... so, na, hochdeutsch. wenn der wat fracht, klingt dit jeringfügich anders wie bei mir: "was für ein zappelphilipp wohnt denn da seit kurzem in der wohnung über euch?" so unjefähr muss er jesacht haben.
und ick: "keene ahnung, wieso?"
und er wieder: "na, merkt ihr gar nichts?"
"nee, wieso? ick merke nüscht - wat soll ick merken? ick sehe den kaum. wenn ick früh zur arbeit jehe kommt der jerade nach hause, oft wohl noch später. nee, der stört mich nich, an sich. wieso?"
"na, immer wenn er nach hause kommt legt er anscheinend eine platte auf, dann reißt er die fenster auf und dann fegt er wie ein wahnsinniger durch die wohnung. das stört dich nicht?"
der werner und ick, wir sind anscheinend die letzten, die musik noch mechanisch kennen, so von platte. heute hat man ja cd, dvd, laser, ick verliere schon lange den überblick.
die mechanischen zeiten warn schon besser, da konnte man sehen, wat man hatte. der werner sacht jedenfalls noch „platte" und nich „cd" und schon jar nich „mp3". deswegen verstehen wer uns wahrscheinlich so jut.
und ick so: "watt meinst'n: der feecht? soll er staubsaugen?"
"staubsaugen? nein. der tanzt! in unserer jugend hieß das tanzen, was der macht. jedenfalls war tanzen so ähnlich."
"tanzen?"
"nur dass es besser aussieht, wenn das knapp bekleidete junge frauen machen ... selbst du ... oder ich - und nicht zugewachsene hänflinge im fellmantel."
"aha."
"aber ihr müsst das doch merken, wenn der wie ein derwisch durch seine wohnung springt?"
"derwisch? meinste der is religiös? der sieht jar nich aus wie'n muselmann..."
"nein, nicht muselman - wie ein irrer! wie ein besengter!"
"ach so."
"du bist doch sonst immer so empfindlich?"
"bin ick jar nich. ick bin janz normal!"
„ja, schon gut!"
„aber trotzdem merk ick nüscht. und meene frau klagt ooch nich."
die hat aber ooch n besonders dicket fell. sie sacht denn immer „selektive wahrnehmung", wenn ick sie frage, ob se wat nich stört. sie meint damit wohl, dit se besonders jut weghören kann. sowat muss man können, dit is ooch ne jabe. wahrscheinlich genetisch, unsere tochter kann dit ooch.
der werner erzählt weiter: „wo ich früher gewohnt habe, als student, da hat das ganze haus gewackelt, wenn die über mir getanzt haben. die decke hat geschaukelt, der kronleuchter..."
„du hattest nen kronleuchter als student?"
„ja, das war mein protest."
„een kronleuchter als protest?"
„ja. mein ironischer protest gegen das establishment."
„aha."
„...also die lampe hat gewackelt, und der putz löste sich und ich bin geflüchtet."
„wat? du bist als student vor ner party jeflüchtet?"
„ich bin ingenieur, mann! ich weiß genau, was passiert, wenn ein haufen leute eine masse zum schwingen bringt! damit kann man brücken einstürzen lassen!"
„und du bist abjehauen?"
„ja, nach oben, zum mitmachen. das erschien mir im zweifesfall immer noch sicherer, als drunter zu liegen. und außerdem: die mussten mich einladen - ich wollte ja lernen."
„ach so. du hast ne ausrede jesucht. oder eenen, der dein bier bezahlt, wa?"
„ja, schon, auch. da ließ sich das nützliche mit dem angenehmen verbinden."
„soso."
„aber als ich einmal wieder runter ging, war mein küchenschrank umgefallen. der stand sowieso wackelig. und dann muss er sich so aufgeschaukelt haben, dass er umgestürzt ist. mit allem geschirr drin."
„na, als student wirste ja nich so viel wertvollet meißener jehabt ham, wa? für nudeln und kaffee brauch man ja nich so viel."
„so ähnlich. keine zwei tage später kam zufällig meine mutter zu besuch: 'wie siehts denn hier aus?!? hast du gar keine ordentlichen teller!?!' sie kann das mit ausrufezeichen sprechen, und dir gefriert das blut! vom meißener konnte ich sie mit mühe abbringen, aber gleich danach hatte ich mein erstes service aus porzellan. inzwischen finde ich das gar nicht mehr so schlimm."
„dit is een schlechtes zeichen - du wirst alt!"
„werde ich nicht! außerdem war das designer-geschirr, top-qualität! meiner mutter ist nichts gut genug für mich. zuerst war es mir peinlich, dabei ist das schon sehr solide. nur dass man sowas als normaler student halt nicht hat. später dann aber schon."
„pharisäer!"
„genau. aber ich konnte es damals schon nicht leiden, wenn einer seine stinkenden zigaretten in dem schönen geschirr ausgedrückt hat. geschmacklos."
„die janze raucherei is jeschmacklos. aber uff mich hört ja keener. ick kenne welche, die noch als erwachsene mit rauchen anjefangen haben. dit is würdelos sowat!"
„wir verstehen uns."
„naja, und jetzt haste tollet jeschirr, weil dir die nachbarn von oben mal fernjesteuert den schrank umjetanzt haben?"
„so ähnlich. damit fing es an."
unser treffen uffm markt zog sich hin. aber unsere mädels waren beschäfticht: erst jabs nen maiskolben, denn ham se eenen jungen aus ihre schule jetroffen, und denn noch ne tüte kastanien.
„da fällt mir ein, dass mir neulich ooch maln n paar gläser vorm schrank lagen"
„ja, richtig! genau! darauf will ich die ganze zeit hinaus!"
„wo hin?"
„na, dass der hampelmann euer haus zum einsturz bringt"
„übertreibste da nich'n bisschen?"
„ich meine: wenn die ganze decke schwingt, dann gibt das vielleicht so supertiefe schwingungen, infraschall..."
„soso, meinste."
„... genau ... das hört das menschliche ohr unter umständen gar nicht... du merkst nur, wie du seekrank wirst, aber du weißt gar nicht, wieso..."
„und wenn mir die katze aufn bettvorleger kotzt, denn is dit womöglich ooch infraschall?"
„naja .. ich weiß nicht, ob eure katze seekrank wird... kann schon sein."
„du bist ja keen mediziner, wa? ... ick weeß nich .... aber der tüp über uns lässt immer sein jerümpel im treppenhaus stehen. und sein roller steht aufm hof andauernd im weg. im grunde is der wie ne comicfigur, son zujereister auskennerbubi: een lammfellmantel auf ner vespa."
„wusste ich doch: du kannst den nicht leiden!"
„mein eener nachbar sacht, dass ihm immer jemand die zeitung klaut, wenn er zu spät runter zum briefkasten jeht ...wenn icks mir recht überlege...
... und wie werde ick die filzlaus wieder los?"
„weißt du was? ich hab da eine idee.."
na, da wollte er doch die janze zeit schon hin, auf seine idee. aber an dem punkt ham unsere töchter denn doch jedrängelt. wir ham uns für die nächsten tage zu hause bei werner zum frühstück verabredet und er hat mir dort denn jezeicht, wat er sich denkt. klang kompliziert, werner is ja inscheniör. aber der hat vielleicht ideen... ick frage mich wirklich, ob er nich nur dafür studieren musste.