Wenn ich dieses Jahr nicht schon ziemlich viele hammermäßige Sachen gemacht hätte, würde mir der letzte Sonntag als noch hammermäßigerer in Erinnerung bleiben.
Auf einem Umweg habe ich zuerst Freunde in den
Kunstbunker an der Reinhardstraße gelotst. Und die mich anschließend in den me collectors room in der Auguststraße.
Schon im Kunstbunker waren sie atypisch nett, gemessen an der hiesigen Kunstszene - das Empfangspersonal meine ich.
Aber der
me collectors room ist der ultimative Understatement-Hammer: Wunderschöne unprätentiöse moderne Architektur.
Das ist wieder eins dieser Oxymorone:
"Moderne Architektur" und
"unangeberisch" schließen sich aus irgendeinem Grund seit einer ganzen Weile gegenseitig aus. Nur hier nicht.
Und da drin dann .... tadaaa! ... Überraschung! ...
zeitgenössische aserbaidschanische Kunst!
Aserbaidschan, das ist eins dieser kleinen Länder irgendwo am Kaukasus, die ganze Bündel aller denkbaren Erblasten mit sich herumtragen: Islamisch geprägte ehemalige Sowjetrepublik mit kleptokratischer Führung, die ständig mit einem der Nachbarländer im Zwist liegt. Falls gerade nicht, brechen sie notfalls halt einen neuen blutigen Zwist vom Zaun. Kriege, Pogrome, Verfolgung von Minderheiten. Habe ich etwas vergessen? Ach ja: Staatskorruption.
Ich möchte da natürlich trotzdem dringend mal hin.
Aserbaidschan, da denke nämlich ich an Seidenstraße, Kaspisches Meer, Kaukasus, Kaspisches Meer,
Quadratkilometer große Ölplattformen, Kaspisches Meer, Baku. Habe ich das Kaspische Meer schon erwähnt?
Aserbaidschan also. Was für Kunst soll da wohl herkommen? Postsowjetischer Ethnokitsch. Präsidentenverherrlichungsmalerei. Gigantoskulpturalismus.
Ach was!¹ Sehr schöne geheimnisvolle Sachen bekommt man zu sehen: Gemälde, gegenständlich und abstrakt, phantasievolle Skulpturen, Assemblagen, alles da. Leider auch Videokunst, die genauso scheiße ist wie Videokunst überall auf der Welt seit Nam June Paik, seit der Erfindung der Videokunst. Aber da kann man locker drüber hinweg: Es gibt ja den ganzen Rest. Und vorne überhaupt am Eingang ein sehr schönes, wirklich wirklich schönes Cafe.
Hingehen!
¹ naja, wer seine Vorbehalte dann doch bestätigt sehen möchte, muss nur den Katalog der Ausstellung aufmerksam lesen. Jüngste "Teilnehmerin" ist eine Künstlerin namens Leyla Aliyeva, die auch das Grußwort schreiben durfte und im Nebenamt Vizevorsitzende einer Haydar-Aliyev-Stiftung ist. Die heißen doch bestimmt nur zufällig so ähnlich?
Genau: Haydar Aliyev war ihr Großvater.
Wenn man alt genug ist, hat man den Namen vom Opa auch schon mal irgendwo gehört. Sonst kann man ihn
heute bei Wikipedia nachlesen, und dem ist dann nichts hinzuzufügen.
Bei der Enkelkünstlerin fragt sich nur, ob sie das Werk des Opas kongenial fortsetzt, oder einfach nur gewillt ist, die liebevoll zusammengestohlenen Reichtümer zum eigenen Ruhm großzügig zu verprassen.
Trotzdem: Die aserbaidschanische Kunst im me-collectors-room ist toll!