27 Oktober 2006

Gedichte über schlimme Gerüche (0,2)


manchmal kann man ja durchaus auch
seinen eigenen beobachtungen trauen

ab und an verfolgen mich
so manch schlimme gerüche
so dass ich schon beim denken dran
das bild allein verfl~che
die vorstellung wie widerlich es riecht
wenn dieser hammer diese feile
zu lang offen liegt.

ein penetranter ton von eisen
hängt dann in der luft
sofort ruft einer nein! das ist doch stahl!
man will ihn ebenfalls verfluchen diesen depp
den besserwisser diese nervensäge
aber man sagt sich scheiß drauf! ...ist ja auch egal...

dieser geruch von penetrantem eisen.

Funktelefonie

"Ich hab das Handy ja nur, damit man mich im Supermarkt an der Kasse anrufen kann..."

...ist so meine Standardeinstellung zum Umgang mit der modernen Welt und der überaus wichtigen Funktelefonie. Ich sage das zwar reflexhaft, jedoch mit bewusst hineingestreuter Ironie. Ja!

Tatsächlich ist es aber schon einige Male vorgekommen, dass mich just an der Kasse ein Anruf ereilte. Ich sehe dann kurz nach, wer da anruft und wende mich wieder den Vorgängen direkt vor meiner Nase zu, mit dem eingangs erwähnten Satz, zu der Kassiererin (sind oft Frauen) gewandt:
"Ich hab das Handy ja nur, damit man mich im Supermarkt an der Kasse anrufen kann."
Das sorgt dann manchmal für eine lockere Atmosphäre und eine angenehme Stimmung in diesem trüben Laden.

Kürzlich erst anwortete aber eine Kassiererin dankbar:
"Na, SIE hören wenigstens auf zu telefonieren..."
Konnte ich nicht glauben und musste nochmal nachfragen:
"Wieso? Gibt's sowas auch, dass einer telefoniert, während der hier bezahlt?"
Und sie versicherte mir hoch und heilig:
"Sie glooben ja nich wie oft dit vorkommt!"
Stimmt, konnte ich wirklich nicht glauben.

Vorhin stehe ich im Supermarkt an der Kasse und erzähle meiner Einkaufsbegleitung genau diese Geschichte, unter Anwendung der eingangs detonierten Poente¹. Kaum habe ich es erwähnt, beginnt vor mir in der Schlange einer zu telefonieren. Er ist als übernächster dran, es wäre also mehr als genug Zeit für sowas wie "Sorry, ich bin jetzt gleich dran. Ich ruf Dich zurück, oder melde dich doch in drei Minuten nochmal!" Aber der dort vorne hört nicht auf.

Eigentlich wirkt der auf mich gar nicht so schwindelerregend erfolgreich, Mitte dreißig, Sportanorak ², mittelbillige Schuhe, nix Besonderes an dem Typen das auf außergewöhnliche Wichtigkeit hindeuten würde. Aber das ist eben äußerlich. Jedenfalls telefoniert er weiter und ich denke: "Irgendwann muss er doch mal aufören, gleich ist er doch dran?" Aber der presst munter weiter das Telefon gegen sein Ohr und horcht aufmerksam hinein und antwortet brav und plaudert Belanglosigkeiten, "haha, ja ja, genau!" Einen Freisprechrüssel hat er selbstverständlich nicht, also auch nur eine Hand frei.

Die Kassiererin nimmt die Sache gelassen und schiebt seine Sachen über den Scanner. Am Ende sagt sie einen Preis, und weil sie das Drama anscheinend schon kennt deutet sie nochmal mit dem Finger auf die Anzeige der Kasse - sie will den Telefonisten ja nicht bei seiner wichtigen Tätigkeit stören. Der kriegt mit einer Hand irgendwann doch noch das Portemonnaie aus dem Sportanorak gefummelt, macht es mit einer Hand auf und wirft irgendwelches Geld auf den Tresen. Steckt das Wechselgeld in die Tasche und will die Sachen mit einer Hand einsacken. Jetzt ist aber sein Gespräch überraschend doch zu Ende gegangen und er kann sogar beide Hände benutzen, "genau, ja ja, bis dann, ha ha."

Dabei sehe ich, dass der Typ nur Bioprodukte gekauft hat. Ich wünsche ihm eine lange, anstrengende und erfolglose Existenz und denke mir so:
"...kauft Bioprodukte für ein möglichst gesundes Leben - aber hat nicht mal die Grundzüge sozialen Zusammenlebens verstanden. Wofür will der Typ überhaupt alt werden?"
Aber vielleicht erscheint das ja auch nur mir als Widerspruch.




¹ das ist das ironische an dieser Poente: Dass sie immer am Anfang kommt, und danach eine ellenlange Geschichte, und dann gar nichts mehr.

² Na, was habt ihr da zuerst gelesen? Etwa Sportanorak? Schönes Wort, nicht?

26 Oktober 2006

Die längste Hochzeit meines Lebens

Am Tag unserer Hochzeit hatte ich furchtbare Blähungen. Die hat manch anderer schon auch - das Problem ist, dass es während der Feierlichkeiten mucksmäuschenstill ist und gleichzeitig ist man von Dutzenden Leuten umgeben.

Man will ja nicht allein sein beim Heiraten und lädt schon Monate vorher alle möglichen Freunde und Verwandten ein, sogar Kollegen. Unter all denen sind immer ein paar, vor denen man sich bestimmt keine Blöße geben will, Schwiegereltern zum Beispiel. Und gerade die mit einem massiven Gasangriff zu ärgern, im Aufzug etwa, oder im Auto, so abgebrüht bin ich nicht.
"Pfffffrrrrttt - haha! Oh, sorry, ihr wisst doch, meine Blähungen! Haha!"
Nee, nee, das kann ich nicht. Ich zog es vor, still vor mich hin zu leiden.

Jedenfalls ist man am Tag seiner Hochzeit andauernd von Leuten umgeben, ständig kommt einer an und will was, Fotos, Gratulieren, Hochzeitslimousine, uuuuu-nheimlich originelle Geschenke, und man hat keine Gelegenheit, unauffällig einen ziehen zu lassen. Da staut sich ziemlich Druck auf, und so ein Künstler bin ich jetzt auch nicht, dass ich die Lautstärke nach Belieben kontrollieren könnte oder vielleicht ein Volkslied furzen.

Das fing schon im Standesamt an. Nein, eigentlich kurz nach dem Aufstehen: Wir hatten Gäste zu Hause, ich bin morgens als erster ins Bad - und das war's dann. Ab da waren wir keine paar Sekunden mehr allein. In meinem Gedärm baute sich sozialer Gasdruck auf.

Weil es leicht nieselte fuhr die Limousine in die Vorfahrt unten im Standesamt. Wieso hat dieses Standesamt eigentlich eine geschlossene Vorfahrt? Heiraten da oft Terroristen? Oder eher regelmäßig Politiker mit Terroristen-Paranoia?

Ins Standesamt fuhren wir schon eine Stunde vor dem Akt - wegen der anderen Gäste, die immer notorisch zu früh kommen. Einige Kollegen waren trotzdem noch vor uns da. So hatten sie eine Ausrede, um nicht arbeiten zu müssen. Nur ich hatte keine Ausrede. Ich musste alles tun, was mir geheißen wurde.
"Paul, komm doch mal!", "Paul, stellt euch mal da hin, für das Foto!", "Paul, lass dich mal drücken!"

Drinnen war es noch schwieriger und ich hatte keine Zeit, auf dem Klo zu verschwinden. Dafür wuchs die Menschenmenge um uns herum. Keine Chance.

Die Rede des Standesbeamten zog sich endlos in die Länge. Er hatte diese grausige unnatürliche Standesbeamten-Standardintonation die sie alle in derselben erbärmlichen Standesbeamten-Rethorikschule zu lernen scheinen und die wohl bedeutungsvoll wirken soll. Zu sagen hatte er eigentlich nichts. Und es zog sich in die Länge. Vor meinem geistigen Auge welkten die Blumen und es wurde Winter.

Nach der endlosen Rede Unterschrift Karin, Foto Karin, Unterschrift Paul, Foto Paul, Unterschrift Karins Zeuge, Foto Karins Zeuge, Unterschrift Pauls Zeugin, Foto Pauls Zeugin, Glückwunsch Standesbeamter, Foto Standesbeamter, Foto Brautpaar, Foto Brautpaar küssend, Foto Brautpaar mit Standesbeamtem, Foto Brautpaar mit Zeugen, Foto Brautpaar mit Zeugen und Standesbeamtem. Dann wieder tausend Leute zum Gratulieren und keine Gelegenheit. Dann Hochzeitsspiele. Sie ließen mich nicht mal zum Klo und die Limousine wartete schon wieder auf Brautpaar, Zeugen, Eltern.

Wir hatten es so organisiert, dass es gleich danch zur Kirche weiter ging. Hätte ich das vorher geahnt - ich hätte nie geheiratet! Oder bei einem Naturvolk, im Freien, wo Furzen als Zustimmung gilt - man soll JA! sagen, oder kann lautstark einen fahren lassen.

In deutschen Kirchen gilt das leider nicht. Dort kam der erste schaurige Höhepunkt. Der Pfarrer predigte gnadenlos. Gnadenlos! Es wurde gesungen. Gebetet. Aufstehen. Dem Herrn danken. Setzen. Beten. Dazwischen Stille. In der riesigen halligen Kirche konnte ich unmöglich... obwohl, vielleicht hätte das ein schönes Echo...? Naja.

Aber der Pfarrer kannte kein Erbarmen. Inzwischen hatte sich gewaltiger Druck aufgestaut. Ich musste mich so sehr konzentrieren, dass ich beinahe die entscheidende Stelle verpasst hätte:
"Willst Du, Paul..."

Der Pfarrer atmete bereits lautstark ein, um mich nochmal zu fragen. Wie peinlich! Karin rutschte unruhig hin und her.

"Ja... ...? Äh: JA! Ja, ja!"
Ich glaube, es klang nicht sehr überzeugend. Und dann nochmal das volle Programm: Hinsetzen, Aufstehen, Beten, Singen, dem Herrn danken. Ich wäre jetzt schon beinah geplatzt.

Aber draußen regnete es und die Limousine wartete. Und vorher in der Kirche noch ein paar Gäste knuddeln, die dringend wieder weg mussten oder gerade angekommen waren oder unbedingt gratulieren wollten. Dann schnell mit den Schwiegereltern ab in die Limousine und zur Feier, in ein Hotel. Dort hatten sie schon wieder eine Vorfahrt und die Gäste warteten bereits. Wir waren seit dem Aufstehen keine Sekunde allein - und ich hatte furchtbare Blähungen.

Das ging so noch mindestens eine Stunde: Der Walzer. Die Hochzeitstorte. Gratulierende Gäste. Geschenke. Rede vom Brautvater. Bonmots der Bräutigamsmutter. Spiele spielen. Geschenke.

Irgendwann stand ich endlich alleine, an der Seite auf der Bühne, vor dem nächsten Akt und dachte "SO, JETZT!!! Jetzt merkt's keiner!"

Zwei haben es aber gemerkt. Einer war nämlich unauffällig hinter mich geschlichen, ein Typ mit Zigarette. Zufällig mein Chef. Und ich.

Es gab eine gewaltige Stichflamme - auf der Bühne, vor den Augen aller Gäste. Mein Chef verbrannte sich die ganze Hand. Also: Das wird schon wieder, aber erstmal war sie verbrannt. Genau wie meine Hose: Die fing Feuer und sengte mir den Hintern ordentlich an. Ich brauchte eine neue Hose und verbrachte den restlichen Abend im Stehen. Aber für Unterhaltung war gesorgt - das war meine Showeinlage.

18 Oktober 2006

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft (4)

Heute: Schlichte Gedichte


These: Es gibt eine Sehnsucht nach Kultur. Die Frage ist: Wozu?


"Doc, was tun sie da?"

"Oh, ich... äh... nichts."

"Sie lesen den Zombies Gedichte vor! Tun sie doch, oder?"

"Ich, äh... naja..."

"Ich fasse es nicht!"

"Naja, ich wollte wissen, ob ihr Nervensystem auf Gedichte anders als..."

"Doc! Das ist doch nicht zu fassen! Nur weil keine Frau ihre Gedichte hören will, piesacken sie die armen Zombies damit?"

"Naja, ich..."

"Zu Hause glaubt mir das keiner: Hier sitzt einer auf der Terrasse vom Raumschiff und liest der durchgedrehten Wildnis Gedichte vor!"

"Also, so ist das nun auch wieder..."

"Ich fahre alleine nach Hause! Gleich morgen packe ich meine Sachen und fahre alleine nach Hause! Ich halt's nicht aus! Frankensteins Zoo - wirklich!"

"Aber Käpt'n, dann sitzen sie wieder zwei Jahre alleine in der Blechdose bis..."

"Trotzdem! Besser als Zombies und Gedichte! Ich will heim!"

16 Oktober 2006

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft (3)

Heute: Stellare Späße


Wer sagt denn, dass Raumfahrern nicht auch mal langweilig wird?


"Jammern sie nicht so rum Käpt'n, so schlimm ist das gar nicht."

"Sie haben gut reden!"

"Obwohl sie mich ganz schön erschreckt haben, als sie da vorhin mit ihrem schwarzen Gesicht angetorkelt kamen. Total schwarz. Nur die Augen weiß - eigentlich sah das sehr lustig aus. Ich muss unbedingt nachsehen, ob eine der automatischen Kameras ein gutes Bild davon aufgenommen hat..."

"Wehe! Und hören sie endlich auf so dämlich zu lachen!"

"Ich wüsste nicht, wieso - ich hatte sie schließlich gewarnt. Das stand alles in meinem Dossier."

"Und wieder auf Seite 30, was?"

"Nein, weiter hinten. Es war kein ACHTUNG!-Kapitel. Ich konnte mir nicht vorstellen..."

"... dass jemand so phantasievoll sein könnte. Sagen sie's ruhig! Hacken sie nur auf mir rum!"

"Ich wollte eigentlich den Terminus 'dämlich' benutzen, das schien mir passender. Also: Dass jemand so dämlich sein würde, konnte ich mir nicht vorstellen."

"Mir war langweilig, da fallen einem solche Sachen ein."

"Was glauben sie wohl, warum die Pflanzenballons schweben?"

"...mir doch egal. Keine Ahnung! Vielleicht ein Antigravitations-Gen!"

"Ha. Ha. Wie originell."

"Na und? Hier auf FRANKENSTEINS ZOO kann man ja leicht auf so originelle Ideen kommen."

"Genau: Nein. Die richtige Antwort ist: NEIN. Das naheliegendste ist doch: Weil die Ballons mit leichtem Gas gefüllt sind."

"...wüsste jetzt nicht, wieso das naheliegend sein soll..."

"Die Ballons schweben, weil sie leichter als Luft sind. Steht alles im Dossier!"

"Die sind überhaupt nicht leichter als Luft! Das tat ganz schön weh, als ich die Teile abbekommen habe! Aua! Seien sie gefälligst vorsichtig!"

"Käpt'n, sie sind doch auch Naturwissenschaftler, oder? Sind sie doch? ... ach, vergessen sie's ... also: Die Pflanze produziert Wasserstoff. Der sammelt sich in dem Ballon und deshalb steigt er auf. Und das nennt man im Flugwesen 'leichter als Luft'"

"Grade deshalb hätte das nicht so heftig explodieren sollen!"

"Blödsinn. Es ist explodiert, weil sie unbedingt ihre Zigarette da ran halten mussten."

"Normalerweise brennt Wasserstoff nur ab und explodiert nicht gleich."

"Sie haben vorher auch noch darüber nachgedacht?"

"Wer? Ich? Äh, nein..."

"Aber die Chance, dass auch Luft in dem Ballon ist und dass das ein prima Knallgas ergibt, war bekannt. Stand alles in meinem Dossier..."

"Sie sind ein widerlicher Rechthaber!"

"Sie hätten ja für den Anfang wenigstens einen kleinen Ballon nehmen können. Wie groß war der denn?"

"Na, so acht Meter Durchmesser wird der schon gehabt haben."

"Wie haben sie den überhaupt runter gekriegt?"

"War gar nicht so einfach! Ich hab an der Liane gezerrt, die ihn hält. Ich musste mich ganz schön anstrengen..."

"... nur um eine Zigarette da ran zu halten und dann fünf Meter weit zu fliegen?!?"

"Mir war langweilig. Da macht man manchmal solche Sachen."

"Bald hab ich sie wieder hergestellt. Soll ich ihnen so einen Ballon auf den Hintern tätowieren, so als Andenken?"

"Sie mit ihren blöden Witzen!"

"... oder lieber auf den Bauch?"

"Ja, ja, schon gut!"

"Ich bin ja auf das Gewitter gespannt, das heute abend kommen soll: Wenn der Blitz in so eine Gruppe von Ballonen einschlägt - ob es dann eine Kettenreaktion gibt?"

"Oh, das können wir auch so rausfinden, warten sie einen Moment."

"Nein! Nicht! Hätte ich bloß nichts gesagt! Käpt'n! Nein! Halt! Finger weg von der Laserkanone! Aaaaaaaah...!"

Ferne Welten - Geschichten aus der Zukunft (2)

Heute: Schwierige Schwerkraft



Zum Verständnis: In Raumschiffen benutzen sie dereinst Tee-to-go-Becher, oben geschlossen. Wahrscheinlich heute schon.


"Käpt'n, was macht unser Bagger da draußen?"

"Er dreht Anker ein."

"Das sehe ich. Ich meinte: WARUM dreht er Anker ein? Unsere Raumschleuder wiegt zwölftausend Tonnen und..."

"...zwölftausendvierhundert..."

"... also gut: Unser Schiff wiegt zwölftausendvierhundert Tonnen und unser Anti-Grav-Generator ist kaputt seit sie... also, er ist kaputt und die Schwerkraft ist genauso groß wie auf der Erde - wozu die Anker?"

"Ja schon... aber die Schwerkraft hier ist nicht halb so zuverlässig wie auf der Erde. Und sie müssen ja UN-BE-DINGT wieder auf unserem kleinen Unfall von neulich herumreiten, nur weil ich..."

"Ach, vergessen sie's. Also: Was ist das hier mit der Schwerkraft, den Ankern und dem Bagger?"

"Nun, die Schwerkraft lässt manchmal nach - und dann schweben alle Dinge und alles wird ganz leicht und nichts bleibt an seinem Platz und..."

"Käpt'n? Haben sie mein Dossier über diesen Planeten gelesen, bevor sie ohne Helm ausgestiegen sind?"

"Natürlich. Ich lese alles von ihnen. Glauben sie, ich will mich umbringen?"

"Haben sie auch das ACHTUNG-Kapitel gelesen?"

"Was für ein ACHTUNG-Kapitel?"

"Das stand auf Seite 30..."

"Bitte? WA-RUM steht das ACHTUNG-Kapitel erst auf Seite 30?!? Warum nicht ganz vorne!?!"

"Och, ich dachte, sie lesen es vielleicht trotzdem..."

"NEIN! Ich habe es NICHT GELESEN! Wahrscheinlich, weil es erst auf Seite 30 ihres Berichts anfängt! Wichtige Dinge und ACHTUNG-Kapitel gehören auf Seite 1! Ich könnte tot sein! Ein Wunder, dass ich noch lebe! Also: Was stand drin in ihrem ACHTUNG-Kapitel?"

"Nun ja, die Atmosphäre hier ist für uns Menschen durchaus genießbar, an einigen Stellen viel zu gut..."

"SIE SOLLEN MIR SAGEN, WAS DA WICHTIGES DRIN STAND! SOFORT!"

"Nun, es gibt hier Pflanzen mit psychogenen Wirkstoffen. Sowas haben wir auf der Erde zwar auch - aber die hier werden vier Meter hoch. Sie entwickeln enorme Samenkapseln, und wenn eine davon platzt, wabert eine riesige LSD-Wolke umher. Und wenn der Wind schwach ist, wird sie nicht verdünnt, sondern bleibt stationär stehen. Ich glaube, sie sind ohne Helm in so eine hineingelaufen und jetzt sehen sie Dinge fliegen..."

"DAS SAGEN SIE MIR JETZT? ICH HÄTTE TOT SEIN KÖNNEN! TOT! ICH!"

"Ach, so schlimm ist das auch nicht, ihr Leben wäre eben vorübergehend ein wenig bunter geworden... und... und... und..."

"Was ist, Doc?"

"Mein Tee!"

"Ihr Tee?"

"Mein Pfefferminzetee hängt unter der Decke! Holen sie ihn da runter! Mein Tee...! Aaaaaaaaah!"

"Ach, so schlimm ist das doch nicht, Doc, ist doch nur ihr Tee..."

"Käpt'n, sie haben die Tür vom Schiff offen gelassen, oder? Als sie wieder reinkamen haben sie die Tür vom Schiff offen gelassen und jetzt haben wir diese verdammten LSD-Sporen hier drin, oder? Alles ist voll davon! Und ich sehe den Tee fliegen! Das ist genau wie mit dem Anti-Grav-Generator vor zwei Wochen! Sie bringen uns alle noch um! Aaaaaaah...!"

"So beruhigen sie sich doch, Doc, das ist doch nicht so schlimm, das ist doch nur..."

"Nicht schlimm? NICHT SCHLIMM?!? Ich sehe meinen Tee an der Decke hängen! Wenn das nicht schlimm ist!"

"Ach so, ja, das wollte ich ihnen die ganze Zeit schon sagen."

"WAS?!?"

"Sie sehen ihren Tee an der Decke hängen - weil er tatsächlich an der Decke hängt."

"Käpt'n! Hören sie auf, mich in den Wahnsinn zu treiben! Ich bin hier der Arzt - wenn ICH durchdrehe haben sie niemanden mehr, der SIE zur Vernunft bringt!"

"Oh, ach das... wir drehen aber gar nicht durch, weder sie noch ich. Sie haben mein Dossier auch nicht zu Ende gelesen, was? Na, vielleicht habe ich's etwas unklar formuliert... und es stand ebenfalls weiter hinten, ich geb's ja zu..."

"WAS?!? DENN?!? WAS STAND WEITER HINTEN?"

"Gezeiten."

"Bitte?"

"Gezeiten. Man sagt auf der Erde: Gezeiten."

"Aaaargh! Reden sie endlich!"

"Gezeiten also. Dieser Planet hat zwei Monde. Regelmäßig alle sechs Wochen stehen die in einer Reihe, und dann heben sie die Schwerkraft hier auf. Rechnerisch ist das unmöglich, aber rein praktisch funktioniert es seit Jahrmillionen, sehen sie ja. Man braucht dann noch nicht mal eine Leiter für den Tee da oben."

"Das ist alles? Mein Gott, haben sie mich erschreckt! Und jetzt?"

"Jetzt binden wir unser Raumschiff an und schreiben die wichtigen Sachen weiter vorne in unsere Dossiers. Und jetzt holen sie ihren Tee da runter."

14 Oktober 2006

Ferne Welten

Geschichten aus der Zukunft

"Doc, dieser Planet ist merkwürdig!"

"Käpt'n, was haben sie denn diesmal für Sorgen?""

"Nun ja, wir haben den Aberglauben spätestens während unserer Raumfahrerausbildung wirklich abgelegt - aber das hier ist mir unheimlich."

"Und was ist ihnen passiert?"

"Eins dieser Tiere da draußen hat einem kleineren Tier den Kopf abgebissen. Und dann rannte das kleinere Tier davon, bis es außer Sichtweite war - ohne Kopf!"

"Das klingt wie eine Schauergeschichte von der Erde, aus dem 19. Jahrhundert."

"Ich habe es doch aber gesehen! Und es war keine Fata Morgana ... und bevor sie fragen: Ich hatte nur ganz wenig getrunken!"

"Na, wenn es wirklich nicht an ihrer Beobachtungsgabe liegt, dann vielleicht an diesen Tieren - und sie können ohne Kopf laufen und in ihr Versteck zurückkehren. Vielleicht hat dieser Planet eine sehr innovative Lösung, die der Evolution auf der Erde nie in den Sinn kam... wir werden so ein Tier fangen und es untersuchen."


...

...

"Und Doc? Was haben sie gefunden?"

"Jetzt werde ICH langsam abergläubisch!"

"Ach ja?"

"Ja. In dem Kopf gibt es kein Gehirn!"

"Oh, das hatte ich bisher nur von den Politikern auf der Erde angenommen."

"Scherz beiseite: Da drin ist sonst alles, was wir auf der Erde sonst auch haben, Augen, Zähne, Gehör - nur kein Gehirn."

"Aha."

"Ein richtiges Rückenmark haben die übrigens auch nicht. Also: Da ist schon was, nur führt es nicht in den Kopf."


...

...

"Käpt'n, ich habe es gefunden!"

"So, nun sagen sie schon! Machen sie's nicht so spannend! Wie funktionieren diese Dinger?"

"Diese Tiere haben nicht nur ein Gehirn - sondern ganz viele."

"Wie habe ich mir DAS denn denn vorzustellen?"

"Naja, jedes Organ, jeder Körperteil und jeder größere Muskel hat ein eigenes kleines Gehirn. Das fällt nicht so auf, wenn man nicht danach sucht. Und es gibt keine Schaltzentrale im Kopf sondern sie sind über ein Netz direkt miteinander verschaltet."

"Und das funktioniert?"

"Das sehen sie doch. Deshalb bewegen die sich wahrscheinlich so langsam: Es dauert eine Weile, bis sich alle Schaltzentralen abgestimmt haben und die Gehirne synchronisiert sind. Dafür ist es weniger anfällig: Der Verlust eines Teils führt nicht gleich zum Tod."

"Und das ist sinnvoll?"

"Denke ich doch. Die Gehirne der Muskeln liegen in den Knochen, dort sind sie sogar ganz gut geschützt. In den Teilgehirnen können auch Informationen über den Heimweg gespeichert werden. Wenn der Kopf abgebissen ist, findet das Tier trotzdem zurück ins Nest."

"Wozu? Zombies ohne Kopf?"

"Der Kopf wächst übrigens nach."

"Was?!? Wir werden diesen Planeten am besten FRANKENSTEINS ZOO
taufen. "

"Vielleicht tröstet sie eins: Die Tiere schmecken köstlich!"

"Sie haben doch nicht etwa...!?!"

"Doch, klar, was sollte ich denn sonst damit machen? Ich habe es eingeschläfert, und nachdem ich es für die Untersuchung zerlegt hatte, war es wirklich tot. Wirklich wirklich tot. "

"Barbar!"

"Vegetar!"

...


"Lassen sie uns auf diese Zombies einen trinken."

"Jawohl: Auf die Zombies!"

11 Oktober 2006

Modellbahnlyrik

Völlig zu Unrecht vernachlässigt ist ja das Gebiet der Modellbahnlyrik - eines lyrischen Themenbereichs der von relaisgeschalteten Weichen handelt, von täuschend echten Häusern und Menschen aus Kunststoff, vom Geruch des Kleinmotorenöls. Und vom Maßstab eins zu zweiundsiebzig.

Aber das Thema lässt sich gut verbinden mit dem früher schon ausgerufenen lyrischen Nebengebiet "Gedichte über schlimme Gerüche".

Und mit dem Maßstab eins zu zweiundsiebzig haben die AERONAUTEN bereits einen Anfang gemacht, eine leider völlig unterschätzte großartige deutschsprachige Musikgruppe.
Und wo kommt man auf solche Ideen, "eins zu zweiundsiebzig" und so? Genau: In der Schweiz.

07 Oktober 2006

Koranische Verse (II)

Zur Zeit ist ja Fastenmonat. Ramadan, wie der Fachmann sagt.

Vorhin in der U-Bahn. Zwei Jungs um die zwanzig sitzen nebeneinander und lesen. Der eine hat einen Taschenkoran, so einen im wertvollen Lederetui, mit Reißverschluss, und winzig klein. Der andere liest in einer Hochglanzbroschüre über Computerspiele. Beide sehr konzentriert.

Der mit der Broschüre beugt sich plötzlich rüber und kuckt interessiert in den Koran, so mit dieser Geste "Was liest'n grade? An welcher stelle bist'n? Is das spannend?" Der mit dem Koran ist gar nicht überrascht. Er wiegt den Kopf hin und her "Na da ..." (Details waren schlecht zu verstehen) und sagt ein paar Worte.

Der mit dem Computerspieleheft wendet sich wieder seiner Lektüre zu.

Wenige Sekunden später zuckt der Koranleser und beugt sich über das Computerspieleheft und zeigt hektisch auf eine Stelle in der aufgeschlagenen Seite "Oh, wenn Du das hast musst es mir auch mal geben!" Dann strahlen sich beide an und diskutieren ein wenig.

Nach ein paar Sätzen liest jeder wieder weiter, vertieft in seinem Text.

Koranische Verse (I)

- der crellemarkt ist ein berühmter türkenmarkt in berlin und liegt gleich um die ecke meiner wohnung. und wir haben grade moslemische fastenzeit -

Heute bin ich das erste mal von einer Türkin angebaggert worden. Ich so beim Einkaufen auf dem Crellemarkt vor den Weintrauben, greife grade zu und werde von der Seite von einer weiblichen Stimme mit Akzent angesprochen: "Können sie mal kosten ob die süß sind?" Das könnte von mir sein, so originell ist das. Das ist eigentlich mein Text. Ich sehe nach rechts: Da steht eine junge Frau, knapp zwanzig, mollig und mit langem Kleid und Kopftuch. Sie hält ebenfalls ein paar Weintrauben hoch.

Ich: "???"
Sie: "Ich faste!"
Ich bin kurzzeitig überrascht: "Äh, ja, natürlich."

Dazu nur den Hinweis: Jetzt ist selbst in Deutschland Weintraubenzeit und es ist derzeit weit schwieriger, Weintrauben zu bekommen, die NICHT süß sind. Sie weiter: "Sie können auch VON MEINEN KOSTEN!"

Und ich denke so bei mir "Joh, das würde ich gerne tun, Mädel!" Sage aber verlegen: "Doch ja, die sind süß." Sie war leider nicht mein Typ. Und zur Entschuldigung: "Ich greife aber immer nach den leicht gefärbten - die sind immer süß..."

"Oh! Haben sie einen Blick dafür!?!" Ich komme langsam ins stottern und sage "Naja, ich geb mir Mühe..." - aber dass die gelblich gefärbten die süßeren sind, wusste ich schon mit zehn Jahren.

Aber sie lässt nicht locker und fährt fort: "Oh, wenn sie jeden Mittwoch hier sind, können sie ja jedes Mal bei mir kosten?" In mir steigt Panik auf. Und mir fällt nur ein: "Na irgendwann wird der Fastenmonat ja mal wieder vorbei sein..." Wir lachen beide. Der türkische Verkäufer lacht auch.

Sie war eben leider nicht mein Typ.

Auf dem Heimweg denke ich mir: Wo bist Du hier reingeraten? Inzwischen wirst Du von fastenden türkischen Mädels angebaggert die deine Tochter sein könnten. Tss, tss! Aber insgesamt war mir diese Erfahrung nicht unsympathisch.

04 Oktober 2006

Jalousien

Da gibt es ja diese Recht- und Schönschreiber. Ich meine Rechthaber & Schönschreiber. Für die ein kleines Intermezzo:

Gerade ist mir der Unterschied zwischen "außen liegenden Jalousien" und "außenliegenden¹ Jalousien" aufgefallen. Erstere wurden leider geklaut.
 


¹ gibt auch innenliegende Jalousien: Die sind einfacher anzubauen und billiger, weil sie dem Wind nicht standhalten müssen. Aber wenn man Überhitzung der Räume verhindern will, ist das eine ziemlich blöde Idee, so lange die Sonne da drauf scheint: An den erhitzten Jalousien erwärmt sich die Luft und steigt nach oben. Wenn sie das IM RAUM tut bleibt es leider warm. Ein Haufen Kollegen will das aber nicht verstehen.

03 Oktober 2006

Großes Kino ¹

Haaaa!

Ha!

Ha!

Ha!

Das ist ja so der Sport unter Bloggern, wenn ich das richig verstanden habe: Einen Zähler einbauen und dann großspurig mit den Ergebnissen prahlen. Habe ich auch gemacht, dachte mir, mal sehen, was da so kommt.

Ha!

Kann ich gar nicht oft genug betonen: HA!

Ich habe nämlich zwei (in Worten: 2!) Leser aus der Schweiz und sogar einen aus Argentinien. Sowie einen aus Belgien. Ein Belgier! ...jedenfalls interpretiere ich die Anzeige der Besucherherkünfte vorläufig so.

In der Mathematik nennt man das "über den zulässigen Bereich hinaus extrapolieren". Aber ich bin ja kein Mathematiker. Also: Mathematiker bin ich auch nicht.

Noch viel interessanter erscheint mir allerdings die Statistik der Bildschirmauflösungen. Immerhin 27 Leute kamen nämlich mit der Auflösung von 1600 x 1200 ... also, dafür habe ich den Text bestimmt nicht optimiert, ich fürchte, schon diese Leute sehen genau gar nichts. Schließlich werden nicht die Bildschirme immer größer, sondern die Bildpunkte immer kleiner - oder ist das zu pessimistisch?

Immerhin 20 Besucher kommen mit 2048 x 768: Was für'ne Auflösung ist das denn?? Supercinemascope? Technicolor? Oder ist das eine Art Master-Blaster unter den Bildschirmen? Laufen auf der Straße inzwischen Leute in unförmigen Hosen mit Bildschirmen auf der Schulter rum? Und wenn man in den Lichtkegel gerät hat man nach zwanzig Sekunden einen Sonnenbrand? Tsstss, was mir alles entgeht... ²

Aber der Hammer sind die 12 Besucher mit sage und schreibe 2560 x 1024 Bildpunkten!!! WAU! Solch ein Bildschirm würde bei mir die gesamte eine Zimmerwand einnehmen. Wenn ich in meinem Zimmer eine freie Wand hätte. Eigentlich klingt das so, als würde irgendjemand mein Blog auf eine Kinoleinwand projizieren. Puuuuuuh: Sitzt Ihr da draußen zu mehreren im Dunkeln, esst Popcorn, trinkt Bier und lest gemeinsam mein Blog? Öcht? Das schmeichelt mir sehr! Ähm... könnte ich auch was von den Eintrittsgeldern haben? Ich würde dafür einen ausgeben - wenn Ihr mir sagt, wo ich hinkommen muss. Öcht!



¹ der Titel ist doch nur, um damit Suchmaschinensucher anzulocken

² ich denke dabei an einen Dokumentarfilm³, ohne Kameraschwenk, wo einfach einer zu Fuß von der einen Bildseite bis zur anderen geht - und dafür dreizehn Minuten braucht. Das ganze natürlich mit O-Ton-Knirschen der Füße im Kies, und ohne Musik.

³ andererseits doch eine schöne Vorstellung: Nämlich eine rabaukenhafte Hip-Hop-Dokumentarfilm-Jugendkultur. Wo sich unterprivilegierte Halbstarke anpöbeln, weil einer Die Kinder von Golzow nicht in voller Länge gesehen hat.

...und ihr absoluter Gottesdienst ist dann "Retour d'un repere compose" - aber das ist jetzt wirklich ein Scherz für Insider... Mist, jetzt muss ich den Namen gugeln.

01 Oktober 2006

Beispielsweise Tomaten

Argh!

Es gibt weltweit über 3.000 Sorten Tomaten, aber in Berlin werden genau 5 Sorten verkauft, die alle nach Wasser resp. nach gar nichts schmecken. Dafür hat jede mehr Flugmeilen auf dem Buckel als weiland Papst Carol "Asphaltkuss" Wojtyla.

Es hilft auch nicht, dass die Tomaten schon lange nicht mehr aus Holland kommen ("schnittfestes Wasser"), sondern aus dem vermeintlich sonnigen Spanien: Irgendwie schaffen sie es dort, alle Auswirkungen der Sonnenstrahlung von den Tomaten fernzuhalten. Naja, ich habe auch noch andere Vorbehalte gegen Spanien.

Und dann noch "Aktuelle Untersuchungen haben ergeben, dass der Gehalt an Vitaminen und sekundären Pflanzenstoffen in Konservendosenware meistens höher liegt als bei frischer Ware." Sowas hatte ich immer befürchtet.

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