eher ein Beitrag für Segler - Prognose: 2:0 für Alinghi
So, eine weitere Startverschiebung aus Witterungsgründen am Mittwoch. Larry Ellison vom BMW-Orakel hatte jetzt etwas Zeit zu bereuen: Dass er selbst den Austragungsort angefochten hat, beispielsweise.
In Ras al Kaimah wären zur gleichen Zeit nicht nur optimale Bedingungen zum Segeln überhaupt gewesen. Ausgerechnet Alinghi behauptet, dass sich dort regelmäßig eine stetige aber schwache thermische Brise aufbaut. Das wäre netterweise dem gegnerischen Trimaran entgegengekommen, von dem der Große Bloguator™ annimmt, dass er ausschließlich bei sehr wenig Wind mit dem Katamaran mithalten kann.
VIII.
Wer selbst Regatten segelt kann nachvollziehen wie sehr ausgerechnet die Warterei und das Nichtstun an einem zehrt. Wenn aus Witterungsgründen verschoben wird kann man die Zeit nicht für Testfahrten nutzen, oder irgendwie anders sinnvoll. Nickerchen sind auch nicht möglich: Zum einen sind die Teilnehmer bei einem Rennen sowieso immer aufgekratzt, insbesondere bei diesem. Wenn sie sich in der Wartezeit ein wenig hinlegen wollten, können sie den Organismus anschließend womöglich nicht mehr rechtzeitig hochfahren. Also bleibt man wach und wartet. Erzählt sich die immer gleichen Geschichten, geht nochmal die Taktik durch oder beobachtet den See um immer weiter Informationen zu sammeln. Alles in allem: Warten ist furchtbar.
IX.
Wie können denn die Rennen nun aussehen? Da gilt Regel eins:
"Voraussagen sind meist schwierig - insbesondere dann, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen".
Beginnen wir beim Start. Bei aller Häme: Ernesto Bertarelli ist für einen Segelamateur sicher kein schlechter Steuermann. Bei der Farr40-WM stand er selbst am Steuer und sie sind Weltmeister geworden. Er hatte zwar auch da schon sein Rudel Olympiasieger an Bord. Aber. Das bedeutet trotzdem: Er kann das Boot in Fahrt halten und kriegt die Starts ganz gut hin. Das ist schon eine ganze Menge. Nur: Alle anderen am AmericasCup teilnehmenden Segler sind Profis. Bis auf Larry Ellison, aber der steuert ja nicht selbst, sondern hält nur das Fernglas. Das Steuern überlässt er James Spithill. Und was das Steuern angeht - James Spithill ist GOTT! Jedenfalls steht er ihm wohl sehr nahe.
Gegen Spithill hat ein ambitionierter Amateur wie Bertarelli auf gleichwertigen Booten keine Chance. Normalerweise tritt GOTT auch nicht gegen ambitionierte Amateure an. Es sei denn, sie wären mit Geld und Einfluss reich gesegnet.
Man kann für dieses Rennen getrost davon ausgehen: Die BMW-Orakel startet da, wo sie starten möchte. Bertarelli kann den Rest haben. Nun ist schwer vorherzusehen, wo so ein Boot wohl gerne starten möchte. Für BWMORACLE wäre schon viel gewonnen, wenn die Alinghi bis zur Luvtonne nicht vorbei kommt. Sie werden außerdem noch versuchen, sich gegenseitig in der Vorstartphase einige Penaltys anzuhängen. Auch darin dürfte Spithill um den Faktor 10 besser sein. Muss aber dennoch nicht zwingend zum Erfolg führen. Bertarelli hat auch geübt, über die Manövrierbarkeit beider Boote im Vergleich weiß man nichts und letztlich hängen Penaltys vom
"billigen Ermessen" der Schiedsrichter ab. Umgangssprachlich: Willkür.
Da die Oracle wahrscheinlich mehr Höhe fährt, wenn auch langsamer, ist sie zu Anfang leicht im Vorteil: Startet sie in Lee der Alinghi, kann sie die Alinghi zum Wenden zwingen und auf die andere Seite schicken. Wenn die dann zurück kommt und nicht genug Vorsprung hat, muss sie wieder weg wenden. Das hängt von tausend Faktoren ab: Dem Geschwindigkeitsunterschied der Boote, der Größe des Kurses, also der Frage, wie weit man denn segeln darf bis man umlegen muss, und insbesondere vom jeweils herrschenden Wind mit Drehungen und Böen. Durch die bessere Höhe am Wind könnten also die Amerikaner die Schweizer unter entsprechenden Umständen bis zur Luvtonne in Schach halten.
Genaues weiß man frühestens, wenn man die Bedingungen am Tag der Wettfahrt kennt.
X.
Nach der Luvtonne bleibt es interessant: Es sind zwei Kurse ausgeschrieben. Die erste und ggf. die dritte Wettfahrt sollen ein Up-and-Down-Kurs werden, die zweite ein gleichschenkliges Dreieck, alle jeweils mit einer Kreuz von 20 Seemeilen Länge. Danach geht es zurück ins Ziel. Jeweils nur eine Runde.
Up-and-Down heißt: Ab der Luvtonne wird vor dem Wind gesegelt. Heute wird ja generell vor dem Wind gekreuzt, zumal auf Mehrrümpfern. Aber die Höhe spielt keine Rolle mehr. Dabei hat der Trimaran kaum Chancen zur Gegenwehr, weil er mit seinem hohen Gewicht auf jeden Fall langsamer sein wird. Wahrscheinlich haben sie noch ein paar Ideen ausgearbeitet, wie sie den Katamaran zu einem Regelverstoß zwingen - wenn der Katamaran jemals nahe genug kommt. Und bei der Alinghi haben sie ein paar Ideen ausgearbeitet, wie sie diesen Fall vermeiden. Von außen wird das alles sicher sehr souverän aussehen. Aber hinter wirklich jedem Handgriff, der dort geschieht, steckt ein vorher ausgeklügelter Plan.
Der Dreieckskurs ist noch etwas spannender. Es ist nämlich ein
gleichschenkliges Dreieck ausgeschrieben. Das bedeutet, dass die Raumschotskurse planmäßig viel spitzer sind als sie der Regattasegler aus dem täglichen Gebrauch kennt. Damit entfallen ein paar taktische Möglichkeiten, die man sonst hat: Luv- und Leebögen müssen darauf angelegt sein, dass man am Ende noch zur Tonne kommt, Halsen machen gar keinen Sinn. Der jeweils hinten liegende hat nicht viele Möglichkeiten, anzugreifen.
Sollte beim Dreieckskurs die Alinghi bis zur Luvtonne noch hinten liegen, sieht es danach nicht sehr günstig aus: In Luv wird die Oracle sie nicht vorbeilassen, sondern feste mitluven bis beide auf Mallorca einschlagen. Und in Lee haben sie genau eine Möglichkeit, vorbeizukommen: An der Raumtonne. Da die Alinghi etwas kleiner ist und einen kürzeren Mast hat, fährt sie auf keinen Fall einfach so in Lee durch. Naheliegendste Lösung: Innenpostion herstellen und an der Raumtonne ein sauberes Manöver hinlegen.
Da die beiden Geräte sehr groß sind, also wirklich sehr sehr groß, gehen die Manöver nicht so schnell wie man es sonst vom Segeln kennt und beide Boote müssen den jeweils nächsten Schachzug lange vorher planen. Gott Spithill rechnet sich einen Vorteil bei den Manövern aus, weil der Trimaran "wendiger" sei als der Kat. Sagt er so.
Das muss man unter den Bedingungen dieser Bootsmonster relativieren: Von außen sehen die Manöver aus wie in Zeitlupe. Selbst falls sie sich im Nahkampf beharken sollten wird das für die Zuschauer mehr oder weniger in Zeitlupe stattfinden (die Crews auf den Booten werden aber dabei so ackern dass sie dem Infarkt nahekommen).
Insgesamt wird ja immer wieder betont, was für hochentwickelte Technik die beiden Segelmaschinen darstellen. Heißt: Sie sind wahnsinnig empfindlich. Man kann davon ausgehen, dass die kleinste Berühung zur Zerstörung führt. Da wird bei allem Ehrgeiz auch Vorsicht walten.
Ein rennentscheidendes Tonnenmanöver würde sicher die aufregendste Aktion, die man bei diesem Americas Cup zu sehen bekommt. Man darf gespannt sein. Am Freitag um 12.00h gehts
weiter vielleicht endlich mal los.
Ob
Eurosport dann wieder überträgt, ist schwer vorherzusehen. Vielleicht findet ja irgendwo auf der Welt ein Schiefliegen der Amateure oder die Weltmeisterschaft im Kampfknobeln statt - und die müssen dringend übertragen werden.
Weitere infos:
Das aktuelle Wetter zwischen Valencia und Balearen hier. (rechts die gewünschte Uhrzeit einstellen)
Live-Videos vom Veranstalter aus Valencia hier. (man muss einen speziellen Player herunterladen und installieren, tut aber nicht weh)